Wednesday, September 27, 2023
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Urgroßvater aller Berge

Er ist stets präsent. Sichtbar überall in Kapstadt. Majestätisch und mächtig. Ein einzigartiger Felsen mit spiritueller Aura. Uralt, 600 Millionen Jahre. Der Tafelberg. Das Wahrzeichen der schönsten Stadt der Welt.

 Ludger Pooth – Es ist Ehrfurcht, die jeden beim ersten Blick ergreift. Perfekte Architektur, ein Wunder der Natur. Der Tafelberg verdient den Namen zu Recht. Wie ein gewaltiger Tisch thront er über der Stadt. Der portugiesische Admiral und Forscher, Antonio de Saldanha, der 1503 als erstes Europäer den Fuß an Land setzte, gab dem Felsen den Namen: Taboa de Caba, der Tisch am Kap.
 
„Tafelberg!”, schrie der Matrose, der als erster den markanten Felsklotz entdeckte, wenn das Segelschiff nach monatelanger Fahrt von Europa die Spitze Afrikas erreicht hatte. „Dieser Ruf brachte dem Weitsichtigen eine Flasche Wein und 10 Gulden ein, seemännische Tradition bei einer Reise zum Kap. Tafel ist das niederländische Wort für Tisch. Denn 1652 begannen Holländer mit der Besiedlung des Kaps.
 
Die einheimischen Khoi San nannten ihn den Hoerikwaggo, den Meeresberg. Das war es, was die Ureinwohner des südlichen Afrikas vor vielen Jahrtausenden sahen. Eine Insel. Den aufragenden Gipfel eines gewaltigen Massivs aus Granit und Sandstein unter dem Meer. Zweimal so groß wie heute. Geschnitzt von Gletschern, geschliffen von den Wellen und schließlich aufgeschoben von tektonischen Kräften. Der Meeresspiegel sank. Der Tafelberg war fertig.
 
Er ist heute der nördliche Teil einer 52 Kilometer langen und 16 Kilometer langen Bergkette auf der Kap-Halbinsel, mit dem Kap der Guten Hoffnung am südlichen Ende. Es ist das Naturschutzgebiet des Table Mountain National Park. Der höchste Punkt des Tafelberges ist MacLear’s Beacon auf 1087 Meter. am nordöstlichen Ende des Felsplateaus.
 
Wer den Tafelberg wirklich kennen lernen will muss hinauf. Und zwar zu Fuß. Aus allen Richtungen gibt es etliche Wanderwege und Kletterpfade in allen Schwierigkeitsgraden. Anstrengung und Schweiss werden belohnt. Die Wanderer erwartet eine einzigartige Flora und Fauna. Auf 6000 Hektar wachsen 1.400 Pflanzenarten, mehr als in ganz Großbritannien Viele von ihnen sind endemisch,  nirgendwo sonst auf der Welt zu finden. Fynbos, feiner Busch – wird die Kapvegetation genannt. Allein 250 Erika-Gewächse und Proteen, zu denen auch Südafrikas Nationalblume, die König-Protea, gehört.
 
Zu Fuß ist die einzige Chance, die Tiere des Berges zu sehen. Denn sie sind scheu. Stachelschweine, Mungos, Antilopen, Paviane und Luchse leben im Naturschutzgebiet. Dazu eine Vielfalt von Bergeidechsen und  Schlangen. Es ist auch die Heimat des Cape Sugerbird und des Sunbird mit seiner orangefarbenen Brust.
 
Die Touristen auf dem Plateau sehen nur den Klippschliefer, auch Dassie genannt. Genetisch gesehen sind das die nächsten Verwandten des Elefanten. Da aber in der Evolution an irgendeiner Stelle etwas quer gelaufen ist, sehen sie eine Kreuzung Murmeltier und Berghase. Den Rotschwingenstar, ein dreister Vogel, kennt ebenso jeder Gast im Bergrestaurant. Einmal umdrehen, schon sind die Fritten weg.
 
Für die meisten Touristen ist das Ziel die Berges ohnehin nur das Plateau, das man aber auch durchwandern kann. Auf bequemen Pfaden von 30 Minuten bis zu dreieinhalb Stunden
 
Die Aussicht von da oben ist bei gutem Wetter atemberaubend. Das Panorama reicht von Table Bay mit Robben Island bis zur False Bay und zu den Hottentots Holland Bergen bei Somerset West. Und weil das Plateau im beinahe rechten Winkel abfällt, kann man vom Tafelberg nicht nur bis in alle Ewigkeit, sondern auch in die Nachbarschaft schauen: Zu Füssen liegt die City Bowl mit dem Stadtzentrum, im Westen das Atlantic Seabord mit den Nobelorten Camps Bay und Clifton. Die sehen von oben so grandios gestylt aus, wie sie sich unten geben.
 
Das Erklimmen des Tafelbergs ist eine sportliche Leistung, ganz gleich auf welchen Pfaden.
Schon 1870 gab es Überlegung zum Bau einer Seilbahn, aber erst 1912 konkrete Vorschläge. Der erste Weltkrieg machte sie zunichte. 1926 schließlich lieferte ein norwegischer Ingenieur
propere Pläne. Die Seilbahngesellschaft wurde gegründet und drei Jahre Später fuhren die Gondeln. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Bahn dreimal modernisiert
 
Seit 1997 verkehren zwei schnieke Schweizer Gondeln zwischen Tal- und Bergstation. Sie tragen 65 Personen und rotieren um 360 Grad. Seit ihrer Installation lifteten die Gondeln 16 Millionen Passagiere auf den Tafelberg. Darunter den britischen Adel, wie Elizabeth II, die Königin von England und Prince Andrew sowie internationale Stars. Darunter Tina Turner, Oprah Winfrey, Arnold Schwarzenegger und Michael Schuhmacher.
 
Der Berg will Respekt. Ihn zu unterschätzen, ist leichtsinnig. Jedes Jahr fordert der Tafelberg seine Opfer. Bergsteiger, Wanderer und Touristen in Badelatschen. Der Felsen ist gefährlich. Das Wetter kann schlagartig umschlagen und selbst im Hochsommer kann es schweinekalt werden. Vor allem wenn die Natur während der Sommermonate Wolken über den Berg legt. Jeder in Kapstadt weiß, dann beginnt der notorische Ostwind zu pusten. Oft bis zu 100 Stundenkilometer.
 
Feuchte Luftmassen von Südosten prallen auf den Tafelberg und steigen auf. Sie kühlen dabei ab und bilden Wolken, die auf der Nordwestseite des Berges, also zur Stadtseite in warmen Fallwinden verdunsten. Das berühmte Tischtuch auf dem Tafelberg. Klasse anzusehen aus der Ferne. Aber kein Wanderer will dann im Berg hängen bleiben. Kalt, nix zu sehen und stürmisch.
 
Kluge Leute buchen einen erfahrenen Bergführer. Der führt zu den verborgenen Schönheiten des Tafelbergs, abseits der Touristenpfade. Selbst  Kapstädter wissen kaum etwas von fünf Stauseen, hinter dem Plateau. Und wenn, wenig über deren Geschichte.
 
Wasser war und ist im heißen Kapstadt stets ein Thema. Das wussten auch die Briten, die im 19. Jahrhundert das Kap regierten.  Zwischen 1893 und 1902 bauten sie aus den Felssteinen des Bergs die Stauseen zur Versorgung von Kapstadt. Sie sind eine Meisterleistung der Ingenieure von damals. Die Dämme versorgen noch heute die Stadt mit reinem Bergwasser aus der Regensaison des Winters. Es fließt im Berg durch ein ausgeklügeltes Tunnel- und Rohrsystem.
 
Für die Arbeiter wurde  auf dem Rücken des Tafelbergs ein kleines Dorf mit Kirche und Kneipe errichtet.  Die verbliebenen Steinhütten sind heute Unterkünfte für Wanderer. In den Gärten gedeihen auch noch die Apfel- und Birnenbäume sowie Brombeeren, von den Arbeitern vor über 100 Jahren angepflanzt.
 
Eine Seilbahn am Kasteelport von Camps Bay aus beförderte die Lasten zum Bau. 25 Minuten brauchte eine Ladung von 431 Kilo. Einmal die Woche brachte die Bahn den Zahlmeister mit einem Korb voll Geld. Der Lohn für harte Arbeit. Aus dem englischen Cornwall wurde eine Schmalspurbahn eingeschifft. Die Dampf-Lokomotive kam in Einzelteilen, wurde auf den Berg gehievt und dort zusammengebaut. Sie steht heute im Museum der Kapstädter Wasserwerke auf dem Tafelberg. Täglich geöffnet. Jedoch nur für Besucher, die gut zu Fuss sind. Wanderzeit vier Stunden.
 
Wie gesagt. Wer den Urgroßvater aller Berge wirklich kennenlernen will, sollte hoch wandern.

 

 

Lesen Sie auch:

Die selbstlosen Retter vom Tafelberg

 

 

 

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