Frauen im Bikini oder in Stöckelschuhen, Männer in Unterhosen und Badelatschen. Da ist nichts, was die Mannschaften der Bergrettung noch nicht erlebt haben. Der Tafelberg ist eine Touristenattraktion. Viele unterschätzen deshalb das Wahrzeichen der Stadt, auch schon mal professionelle Kletterer. Dann muss die Bergrettung sie rausholen.
Ludger Pooth – Immer wieder gehen die Bergunfälle tödlich aus. Am 27. Februar 2021 rutschte ein Bergläufer auf dem Pfad aus und stürzte 60 Meter tief ab. Der erste Tote dieses Jahr.
Nach Angaben der South Africa Mountain Accidents Database (SAMA) sind seit 1980 131 Menschen tödlich verunglückt. Anwaaz Bent, Obmann von Hikers Network und Mitglied der Rettungswache Wilderness Search and Rescue (WSRA) verwundert das nicht. “Touristen denken eher an einen Hügel als an einen gefährlichen Berg“, sagt der erfahrene Rettungsmann. “Der Tafelberg ist Teil eines gewaltigen Felsmassivs, das sich bis zum Kap der Guten Hoffnung erstreckt. Mit Schluchten, Steilwänden, schmalen Pfaden, Spalten, Geröllhängen und rasch wechselnden Wetter.“
90 Prozent des 1000 Meter hohen Tafelbergs sind gefährliches Terrain. Aber da er mitten in Kapstadt liegt, können sich viele diese Gefahr nur schwer vorstellen. „Die Leute denken, im Notfall ist Hilfe ja nicht weit“, weiss der Rettungsmann. „Doch wenn das Wetter zuschlägt, kann es Tage dauern bis Hilfe kommt.“
Wenn der notorische Südostwind im Anmarsch ist, hüllt binnen Minuten eine dichte Wolkendecke den Berg ein, das berühmte Tischtuch auf dem Tafelberg. Die Temperaturen
stürzen, der Wind dreht auf bis zur Sturmstärke. Dann werden auch Hubschraubereinsätze kompliziert oder gar unmöglich.
Der Berg wird unterschätzt, die goldenen Sicherheitsregeln missachtet. Beispielsweise nicht allein zu gehen, sondern zu zweit oder in Gruppen. „Da klettern unerfahrene Leute völlig unbedarft herum“, berichtet Anwaaz Bent. „Schlechtes Schuhwerk, keine warme Kleidung, kein Wasser dabei oder etwas zum Essen, kein Mobiltelefon.“ Die Männer der Bergrettung haben die unmöglichsten Gestalten aus dem Berg geholt. Frauen im Stringtanga oder im Abendkleid mit Stöckelschuhen. Männer in Unterhosen und Badelatschen.
Doch auch erfahrene Bergsteiger verunglücken. Der Tritt daneben, der verkehrte Griff, eingeklemmt, vom Wetter überrascht. Es gibt viele Ursachen, die zu Verletzung oder Tod führen. Auch weil selbst manchmal erfahrene Wanderer und Kletterer die Sicherheitsregeln ignorieren. Meistens geht es gut aus, weil die Rettungsmannschaften mal wieder einen guten Job gemacht haben.
Der Tafelberg zieht jährlich über eine Million Besucher an. 65 Prozent aller Bergunfälle im gesamten Westkap geschehen hier. Wilderness Search and Rescue koordiniert den Einsatz und das Training von 17 verschiedenen Organisationen im gesamten Western Cape. Nur wenige darunter sind hauptberufliche Retter, wie der Red Cross Air Mercy Service, die South African Police, die South African Air Force. Alle anderen sind Mitglieder bei Freiwilligen-Organisation.
Sie alle sind Idealisten. Sonst würden sie den harten Job, bei dem sie auch ihr eigenes Leben riskieren nicht machen können. Die Männer und Frauen werden für ihren Einsatz nicht bezahlt. „Wir zahlen das Benzin für unsere privaten Allradfahrzeuge. Wir benutzen die eígene Kletterausrüstung und Mobiltelefone“, sagt Anwaaz. Wilderness Search and Rescue (WSRA) ist auf Spenden angewiesen.
Die Uneigennützigkeit der Bergretter ist nicht nur eine finanzielle sondern auch eine berufliche Belastung. Bei einem Notfall müssen die Retter am Arbeitsplatz alles stehen und liegen lassen. Ob angestellt oder Selbständig – es ist stets ein Verdienstausfall. „Na und“, winkt Anwaaz Bent ab. „Ein Menschenleben ist mehr wert!“
Tafelberg Notruf
086 110 6417
Weitere Notrufnummern und wichtige Hinweise
https://www.mcsacapetown.co.za/emergencies/
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