Monday, May 29, 2023
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Auszug 2: „Zehn Monate durch Afrika. Eine Reise von Deutschland nach Kapstadt und zurück“

Im Jahr 1985 machen sich vier Franken in ihren Zwanzigern in einem zum Wohnmobil umgebauten Mercedes 508D auf den Weg, um den afrikanischen Kontinent zu durchqueren.

Gaby Reuß erzählt in ihrem Reisebericht von der abenteuerlichen Tour durch Wüste, Urwald und spektakuläre Landschaften im südlichen Afrika. Nach acht Monaten erreichen sie das Zielland: Südafrika, damals noch unter dem Apartheidregime. Da ein Mitreisender aus familiären Gründen die Reise vorzeitig beenden musste, sind sie jetzt zu dritt unterwegs: Gaby, ihre Freundin Christine und deren Lebensgefährte Hermi.

In drei Auszügen berichtet sie für Kap Express von den zwei Monaten, die sie in Südafrika verbrachten.

Südafrika, August/September1985
Auszug 2: Drakensberge bis Cape Agulhas

Beim Einkaufen in Harrismith herrscht an den Kassen Rassentrennung – nur wir stellen uns bei den von Schwarzafrikanern besetzten Kassen an. Nächstes Ziel sind die Drakensberge.
Auf einer ausgezeichneten Asphaltstraße erklimmen wir den Oliviers Hoek Pass mit 1700 m, der einen schönen Blick auf die Ebene mit ihrer Weite freigibt. Hier tauchen mal wieder typisch afrikanische Dörfer mit Rundhütten auf, Ziegen und Kühe grasen in der Umgebung. Das Ganze wird von den Drakensbergen, die schroff in den blauen Himmel ragen, begrenzt, in der Ferne ist schon das „Amphitheater“ zu erkennen.
Im Royal Natal National Park packen wir Äpfel, Tee, Kameras und Schokolade in den Rucksack. Auf geht’s zum Wandern Richtung Devils Hoek, erst über Grasland, dann durch kühlen Wald. Es riecht wunderbar, die Sonnenstrahlen dringen kaum durch das Blätterdach, überall sind mit Moos bewachsene Felsen. Verhaltenes Vogelgezwitscher, wir überqueren ein kleines Flüsschen, dann geht’s bergauf mit Blick auf das Halbrund des Amphitheaters. Oben machen wir Teepause, schön ist’s hier: diese Ruhe, die Aussicht, die klare Luft und die Sonne!

In Pietermaritzburg begeben wir uns zur Standard Bank, um Geld zu tauschen. Wie wir im Radio hörten, ist der Rand inzwischen auf 38 US-Cent gefallen. Am Schalter erklärt man uns, wegen der Unruhen und der zu erwartenden Sanktionen des Westens sei der lokale Devisenhandel geschlossen, es würden nur noch maximal 500 Rand getauscht, und man müsse erst bei der Nationalbank anrufen, die den Kurs momentan festlege. Das dauert… schließlich können wir zum Kurs von 37 US-Cent pro Rand tauschen. Wahnsinn, heute bekommen wir für 150 $ genauso viel Geld wie vor zwei Wochen für 200 $!

Nach einem Stadtbummel fahren wir weiter Richtung Durban, etwas außerhalb stoppen wir bei Pick’n Pay, umkreisen dreimal die Regale, bis wir uns einig sind, wofür wir unser schwer ertauschtes Geld ausgeben wollen. Auch am Bottle Store kommen wir nicht vorbei… letztlich erstehen wir für 4,32 R Lebensmittel, für 8,68 R Zigaretten, für 6 R Alkohol – sehr bezeichnend!

In Durban erfahren wir von Sonya, die wir in Botswana kennengelernt haben, einiges über Südafrika: dass es z. B. unüblich ist, dass unverheiratete Leute zusammenwohnen, ihr Freund hatte deshalb ziemliche Probleme mit seinen Eltern. Die Arbeitsbedingungen sind auch nicht optimal: bei einem durchschnittlichen Monatsverdienst von 1000 Rand eine 45-48-Std-Woche, 18 Tage Urlaub im Jahr. Die Lebenshaltungskosten sind allerdings niedriger als bei uns: Sonya und ihre Mitbewohner zahlen für ihre 3-Zimmer-Wohnung 280 R.
Wir fragen sie, ob es hier Discos gibt, sie bejaht – allerdings schließen die bereits um Mitternacht. Südafrika hat schon seltsame Regeln, z. B. kann man samstagnachmittags und sonntags keinen Alkohol kaufen; Frauen dürfen fast nur in „Ladies Bars“ gehen. Man ist hier sehr moralisch, ausländische Zeitungen werden auf negative Berichterstattung über das Land und Nacktbilder hin zensiert.
Sonya berichtet von den Konsequenzen des Apartheid-Regimes: Die Fußball-Nationalmannschaft darf an internationalen Wettbewerben nicht teilnehmen, Rockgruppen kommen nicht hierher, bzw. nur nach Sun City. Oder der Flugverkehr: südafrikanische Flugzeuge dürfen nicht den Kontinent überqueren, sondern müssen über dem Atlantik fliegen. Mit einem südafrikanischen Pass darf man, außer Namibia, Malawi, Simbabwe und Botswana, kein afrikanisches Land bereisen.

An einem menschenleeren Strand treffen wir einen Spaziergänger, der kaum glauben kann, dass wir durch ganz Afrika gefahren sind, er fragt, ob wir denn nicht Probleme mit den „Kaffern“ gehabt hätten, worauf Christine schlagfertig antwortet: „Nein, warum auch, wir sind ja keine Südafrikaner!“. Die Leute hier sind schon ein recht eigenwilliges Volk. Es gibt es am Strand ein Klohäuschen: „Whites only“ – aber wenn die Schwarzen in der Pampa ihr Geschäft erledigen, heißt’s wieder: „die bösen Kaffern“!

Bald nach Port Edward beginnt die Transkei – und schlagartig ändert sich die Umgebung: wo vorher grüne Wiesen waren, sind hier nur kahle weite Flächen, Hütten, in deren Umgebung Plastiktüten und Abfall herumliegen. Die Ortschaften erinnern an das typische Afrika: staubige Vorplätze, Läden, bei denen der Putz abbröckelt und wo sich die kleinste Klitsche noch „Supermarket“ nennt. Eine Gruppe von Frauen sitzt im Staub, hat Orangen, Tomaten, Bananen vor sich ausgebreitet – hier kann man wieder einmal handeln und palavern! Auch Winken ist wieder angesagt, die Leute am Straßenrand sind darin eifrig. Es ist schön, diese vertrauten Bilder zu sehen, monatelang war das ganz normal – im „weißen“ Südafrika vergisst man das schnell, gewöhnt sich an saubere Städte und Dörfer mit ihren Gehsteigen, Abfallkörben und modern gekleideten Leuten.

Einmal stoppt uns ein Polizist, schaut kritisch auf der Beifahrerseite zum Fenster herein, wünscht „Good afternoon“ und bemängelt, dass ich nicht angeschnallt bin. „I must charge you!“ sagt er mit ernstem Gesicht. In ganz Afrika hat keiner nach dem Sicherheitsgurt gefragt, und jetzt will der Beamte eine Strafe kassieren (das Geld steckt er bestimmt in seine eigene Tasche…). Wir tun so, als ob wir ihn nicht verstehen, daraufhin ruft er eine Kollegin, die bisher noch fröhlich mit einem Lkw-Fahrer vor uns gescherzt hatte. Wir bitten die Dame in den Bus, kichernd steigt sie ein, gefolgt von unserem Polizisten. Im Bus klatschen beide in die Hände und freuen sich königlich über unsere Inneneinrichtung: „It’s a home, it’s like a house!“ jubeln sie. Staunend betätigt die Polizistin den Wasserhahn im Bad, wir bieten ihr ein Glas Wasser an, das sie strahlend annimmt. Sie bedankt sich, steigt aus – alles in Butter, freundlich winkend werden wir verabschiedet. Wir amüsieren uns köstlich – die Bewunderung über den Bus hat die beiden vergessen lassen, dass sie uns eigentlich eine Strafe abknöpfen wollten. Das ist Afrika, wie wir es lieben!

Auf der Weiterfahrt verfolgen wir stündlich die Nachrichten. Es kriselt ziemlich im Land, im Norden streiken Tausende von Minenarbeiter, in und um Kapstadt gibt es Zusammenstöße zwischen Polizei und Schwarzen, mit vielen Verhaftungen, Verletzten oder gar Toten. Da wird einem schon etwas flau im Magen…

Port Elizabeth, es ist Samstagmittag. Leider findet sich kein Bottle Store, bei dem wir fürs Wochenende einkaufen könnten – das werden zwei lahme Abende mit langweiligem Pfefferminztee werden! Wir überlegen voller Unzufriedenheit, was wir mit dem „trockenen“ Samstagabend anfangen sollen, Christine kommt auf die rettende Idee: „Wir könnten doch ins Kino gehen!“.
Wir parken auf einem großen Platz gegenüber vom Kino, packen Bargeld und Pässe in die Handtasche, freuen uns auf den „Ausgehabend“. Nach dem Film bildet der Besuch der Cocktail-Bar den (vorläufigen) Höhepunkt des Abends. Hier wird – oh Wunder – sogar Bier ausgeschenkt.
Leider schließt die Bar um 22 Uhr, in ausgelassener Stimmung geht es hinaus zum Bus, als wir einsteigen, registriere ich dass die Tür des Kleiderschrankes auf ist und ein Haufen von Klamotten davor auf dem Boden liegt. Es überkommt mich ein alarmierendes Gefühl, Hermi japst: „Da warn welche herin!“. Tatsächlich: Filmkamera und die gesamte Fotoausrüstung sind weg, ebenso die im Kleiderschrank deponierten Travellerschecks. Da stehen wir nun und versuchen zu begreifen, dass wir beklaut wurden – so eine Scheiße!
Mir fällt als erste Konsequenz ein: nun können wir vom schönsten Teil Südafrikas, der Gartenroute und Kapstadt, keine Fotos mehr machen. Das verschwundene Geld ist nicht tragisch, das bekommen wir ersetzt – aber die Kameras! Die Benommenheit über den Diebstahl weicht langsam einer tüchtigen Wut – dass uns das passieren muss! Wir, die wir bei Erzählungen anderer Traveller von Diebstählen immer kopfschüttelnd zuhörten und stolz berichteten, uns sei noch nie was Wertvolles geklaut worden – nun hat’s also auch uns erwischt, und nur deshalb, weil wir ein einziges Mal abends den Bus für ein paar Stunden allein ließen!
Im Prinzip sind an dem Ganzen ja nur die Südafrikaner mit ihrem vermaledeiten lizensierten Alkoholausschank schuld: hätten wir noch Gelegenheit gehabt, eine Flasche Rotwein zu erstehen, wären wir abends schön brav auf dem Caravan Park geblieben und es wäre nichts passiert!
Die Polizei macht uns keine große Hoffnung, die Sachen wieder zu bekommen. Als wir mitten in der Nacht zum Bus zurückkehren, sind wir aber schon wieder soweit, Späße zu machen und freuen uns darüber, dass unsere guuten Dosenrouladen noch da sind…
Am Morgen trauern wir den verlorenen Bildern nach: die schönen Landschaftsfotos, Durban, der Grillnachmittag am Meer, die Fahrt entlang der Küste, der Löwenpark – alles weg! Ohne zu fotografieren weiterzureisen, wäre eine Schande, daher erstehen wir eine Billig-Kamera „made in China“ die nach ihrem Herkunftsort auf den Namen „Elise“ getauft wird. Hermi ist zunächst nicht imstande, das unsägliche Teil anzufassen, geschweige denn zu bedienen – sowas Triviales! Aber besser das als gar keine Bilder mehr…

Wir fahren weiter Richtung Westen durch grüne Landschaft mit Wiesen, es blühen gelbe und lila Blumen. Am Spätnachmittag haben wir Ausblick auf das dünne Rinnsal des Storm’s River. Elise macht ihre „Jungfern-Fotos“, dann fahren wir weiter durch das Tsitsikamma-Naturreservat. Wir finden eine Übernachtungsmöglichkeit kaum 10 m von der Straße weg in einem idyllischen Waldstück, genießen die Einsamkeit. Aus den Baumwipfeln ertönt das vielstimmige Gezwitscher und Zirpen der Vögel.
Auf der Weiterfahrt geht es durch dichten Wald, die Bäume mit Efeu überwuchert, Lianen sind um die Äste geschlungen. Wir passieren die Bloukrans Bridge, deren geschwungener Brückenbogen leider nur zum Teil erkennbar ist, das andere Ende wird vom Nebel verschluckt, ein gespenstisches Bild. Ständig kommt unsere Elise zum Einsatz, Hermis Gesicht verzieht sich jedes Mal zu einer verzweifelten Grimasse, wenn er von „Sonnenschein“ auf „Wolke“ umschalten muss…

Plettenberg Bay ist ein verschlafenes Städtchen, die weiten, idyllischen Strände sind leer. Der Ort liegt am Berghang, hat viele schöne Häuser, man hat einen tollen Ausblick auf Strände und Meer. Außerhalb passieren wir eine „township“, diese sehen überall gleich aus: Häuserreihen, Leinen mit flatternden Wäschestücken. Trotzdem wirken die Siedlungen komfortabler als so manche Orte in Schwarzafrika, hier gibt es Strom und fast jedes Haus hat eine TV-Antenne – doch es ist natürlich ein Riesenunterschied zu den prachtvollen Villen der weißen Bevölkerung.
Bei Knysna biegen wir auf eine Piste ab, die mehrere Kilometer durch Wald bis zu einem Parkplatz führt. Steile Treppen führen durch Wald und Buschwerk, wir erreichen einen breiten weißen Traumstrand, etliche 100 m lang – aber das Beste sind die aus Natursteinen gemauerten Burgen, mit Erkern, Sprossenfenstern, Zinnen… und das am Strand des Indischen Ozeans!
Zwei Hunde begrüßen uns schwanzwedelnd, außer ein paar schwarzen Gärtnern ist kein Mensch zu sehen. Die Vierbeiner begleiten uns beim Strandspaziergang – eine traumhafte Abgeschiedenheit, weitgezogener Strand, das aufgewühlte Meer… zum Ewig-Zuschauen!
Wir lassen uns im Sand nieder und genießen die Idylle, die Hunde jagen am Wasser auf und ab, den Vögeln nach, die drei Meter über ihnen herfliegen.

Knysna ist entzückend mit den „Heads“, zwei Felsvorsprüngen, die den Eingang zur Lagune säumen. In welch unterschiedlichen Farben das Meer hier leuchtet, weit draußen dunkelblau, in Höhe der Wellenbildung hellblau bis türkis, unter uns schimmert das Wasser grün, man kann bis zum Grund schauen.

In Mossel Bay besuchen wir den berühmten „Postbaum“, unter dem bereits im Jahre 1500 Postsendungen von Seefahrern deponiert wurden. Weiter geht’s ins Landesinnere Richtung Oudtshoorn, wir erklimmen den Robinson Pass, unter uns erstrecken sich steile Abgründe – und Hermi guckt mehr in die Umgebung als auf die Straße… Wir übernachten hier oben, abends herrscht ein regelrechter Sturm, der Wind heult und bringt den Bus ins Wackeln.

Am nächsten Morgen geht es bergab, die Wiesen weichen einer steppenmäßigen Gegend, hier beginnt die Kleine Karoo. Der rote Boden ist mit vereinzelt stehenden Büschen und Sträuchern bestanden, hinter den Zäunen sind häufig Strauße mit grauem als auch schwarzweißem Federschmuck zu sehen. Bei der Safari-Straußenfarm berappen wir 3 Rand Eintritt und nehmen an einer Führung teil.

Wir besuchen die Cangoo Caves, über Calitzdorp und Swellendam geht es zum südlichsten Punkt des Kontinents: Cape Agulhas! dort passieren wir den rot-weiß gestreiften Leuchtturm, am Strand liegen Fischkutter im Licht der untergehenden Sonne. Was für ein historischer Moment: wir sind am südlichsten Punkt Afrikas angekommen! Durch den großen Kontinent hat uns das brave Wüstenschiff geschaukelt, manchmal wagten wir nicht mehr daran zu glauben, dass wir wirklich bis hierher kommen würden. Beim Einschlafen begleitet uns Meeresrauschen – was für ein Gefühl, die Nacht am „letzten Ende Afrikas“ zu verbringen!

Im nächsten Teil geht es weiter in Richtung Kapstadt. Wir erkunden Stadt und Umgebung und wohnen exklusiv: drei Wochen Camping auf dem Signal Hill!

Den gesamten Reisebericht gibt es hier:

Mit ungenauem Kartenmaterial und vagen Routenbeschreibungen machen sich im Jahr 1985 vier junge Deutsche in einem zum Wohnmobil umgebauten Mercedes 508D auf den Weg von Deutschland nach Kapstadt. Sie werden beim Geldschmuggel erwischt, durchqueren die Sahara, sind tagelang mutterseelenallein im Urwald unterwegs. Sie begegnen meist freundlichen und hilfsbereiten Menschen, aber auch betrunkenen Grenzbeamten. Gaby Reuß erzählt, wie es war, zu viert (zuweilen auch zu sechst) auf 10 qm im Bus zu leben. Vom unbeschreiblich schönen Lebensgefühl, abends verschwitzt aber glücklich in die Weite des afrikanischen Himmels zu schauen.

Gaby Reuß: Zehn Monate durch Afrika, BoD – Books on Demand, Norderstedt, 2017
ISBN: 9783746029863
Taschenbuch, 308 S.,15,95 Euro. E-Book: 5,99 Euro

Autoreninfo:
Gaby Reuß, Jahrgang 1961, aufgewachsen in Franken, lebt seit 1984 in München. Nach der Ausbildung zur Bürokauffrau erwarb sie auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur und absolvierte ein Geographiestudium. Beruflich und privat war sie auf allen Kontinenten unterwegs und verfasste Reiseberichte. Nach wie vor ist sie gern auf Reisen und führt Reisetagebuch, sei es bei einer Radtour durchs Salzburger Land, auf dem Hausboot durch Frankreich oder bei der nächsten Reise nach Südafrika…

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