Thursday, November 30, 2023
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Immer wieder Afrika – Dreizehn Monate von Hamburg nach Kapstadt – Der finale Auszug –

Die Zugabe: Unser Ziel Kapstadt – Peter und Ulla Wulf starten mit ihrem alten Bundeswehr-MAN, einem zum Wohnmobil ausgebauten 13 Tonnen schweren Lastwagen, im Jahre 1985 in Hamburg. Ihr Ziel ist das Kap der Guten Hoffnung. Ihr Begleiter: der Kater Niger, schnurrig, mutig und verfressen.

Ursula Wulf – Schon seit 80 Kilometern war der Tafelberg zu sehen, der die Stadt überragt. Die Sonne scheint, aber ein kalter Wind weht. Wirbelnd jagen die Wolken über den Berg. Diese Lage in einer großen Bucht und auch die Ausstrahlung machen Kapstadt für uns zur schönsten Stadt, die wir kennen. In der Innenstadt – neben Hochhäusern mit interessanten Einkaufszentren – stehen schöne historische Gebäude. Schmiedeeiserne Balkone, gepflegte Vorgärten, Blütenpracht, weitläufige Parks sowie ein buntes Durcheinander von schwarzen, weißen, braunen Menschen bestimmen das Stadtbild.
Die Fahrt mit der 50 Jahre alten Seilbahn auf den Tafelberg hinauf wird zu einem Erlebnis; diese Stadt muss man einfach einmal von oben gesehen haben. Weit hinter der schimmernden Bucht erkennen wir endlose Strände; zur anderen Seite reicht der Blick über eine lange Bergkette fast bis ans Kap der Guten Hoffnung.

Am Nachmittag bestellen wir in einem Café im Garden Center drei Eisbecher. Der nette, aber noch recht unbeholfene Trainee hat seine liebe Not mit Peter, der hilfreich seine leere Kaffeetasse immer gerade dorthin schiebt, wo der verzweifelte Trainee das schon auf seine Finger tropfende Eis hinstellen möchte. Als ihm dann auch noch die Serviette zum Unterlegen herunterfällt, verliert der arme Junge kurzfristig die Fassung, schwenkt den klebrigen Eisbecher, stößt einen leisen Singsang aus, wetzt um uns herum, entdeckt zum Glück am Nachbartisch noch eine Serviette und serviert endlich aufatmend Peter einen Eisbecher, den dieser gar nicht bestellt hat. Peter isst das Eis trotzdem mit Appetit (und einem dazu gereichten Suppenlöffel), weil er nicht daran Schuld sein will, dass der Trainee eventuell aus dem Fenster hopst.

Später sind wir in der Tourist-Information und wollen alles Mögliche wissen, unter anderem auch, wo es für unsere Mutter ein schönes Hotelzimmer gibt. Die nette Angestellte gibt uns viele Tipps und empfiehlt „für die Oma“ ein Zimmer im Blue Peter Hotel am Blaubergstrand. „Habt ihr das gehört“, fragt meine Mutter draußen ehrlich empört, „die alte S-pinatwachtel hat Oma zu mir gesagt!“ Als ich ihr erkläre, dass das Wort „Oma“ in Südafrika hochachtungsvoll gemeint ist, ist sie gleich wieder versöhnt.

Die nächsten Tage in und um Kapstadt werden nie langweilig: nach ausgiebigem Stadtluft-Schnuppern fahren wir zum Blaubergstrand, genießen das Nichtstun am Strand und den Blick über die Bucht auf Tafelberg und Signal Hill, einen weiteren Berg, der mitten in der Stadt steht, und abends auf die tausend glitzernden Lichter der Stadt.

Da gutes Essen hier wegen unserer monatelangen Konservenesserei einen viel höheren Stellenwert hat als zu Hause, speisen wir fast jeden Abend im Restaurant des „Blue Peter“ Hotels. Knusprig gebratene Ente mit Orangensoße, grüner Spargel, Seezunge. Irgendwie schmeckt das ja doch besser als Pichelsteiner aus der Dose!

Auch eines der vielen Weingüter besichtigen wir und probieren den ganz besonders guten Kapwein. Das ist ein Geschmack, den wir nie vergessen werden. Wenn wir später, schon längst wieder zurück in Deutschland, eine Flasche “Groot Constancia Heerenrood” öffnen, einen Schluck trinken und die Augen schließen, sitzen wir wieder im Garten dieses wunderschönen Weingutes, blicken über die unendlichen Reihen von Rebstöcken, spüren die warme Sonne und das leichte Fächeln des Windes. Und bekommen bohrendes Fernweh…

Muttis letzten Tag hier verbringen wir am Blaubergstrand, damit sie ihre Urlaubsbräune noch vertiefen kann. Peter zieht zwischendurch einen festgefahrenen PKW aus dem Sand und wird zu einem Wasserglas voll Zitronenkorn eingeladen. Der dankbare (und schon leicht angeheiterte) Südafrikaner beteuert: wenn er zu Hause erzählt, dass er sich ausgerechnet an diesem Strand festgefahren hat, glaubt ihm das schon niemand. Wenn er aber erst erzählt, was für ein Gefährt ihn mit der Seilwinde herausgezogen hat, erklären sie ihn für verrückt.

Damals waren die Blumen am Blaubergstrand ja auch irgendwie größer…

Den feuchtfröhlichen Abschiedsabend verbringen wir natürlich im Restaurant des Blue Peter, wo meine Mutter uns zu einem Super-Menü einlädt: erstmal ein duftender Portwein. Dann für die Mutter saftige, frittierte Champignons mit Sauce Tartare, für Peter ein geräuchertes Forellenfilet, für mich grünen Spargel, dünn mit Parmesan überbacken. Zwischendurch genießen wir durch die großen Panorama-Fenster den Blick über die Bucht auf den Tafelberg und auf die tausend Lichter der Stadt. Der „Spier Riesling“ ist zur Vorspeise wie geschaffen.

Es folgt das Hauptgericht: Peter bekommt ein in Ei gebackenes Kalbsschnitzel, meine Mutter und ich herrliche Seezunge, einmal mit Knoblauchsoße, einmal mit Mandeln. Dazu darf ein „Nederburg Riesling“ nicht fehlen. Wir haben viel zu erzählen und wundern uns nur ganz kurz, als wir wieder mal aus dem Fenster auf die beiden Tafelberge gucken.

Das Dessert kann sich sehen lassen: flambierte Erdbeeren, Eis, Cassata. Und zum krönenden Abschluss: Irish Coffee mit anscheinend 50 % Whisky. Woraufhin wir uns bemühen, die Richtung zu finden, in der die drei Tafelberge stehen…

Da keiner von uns irgendwie albern ist, ganz besonders meine Mutter und ich nicht, bezahlt Peter erstmal die Rechnung, während wir zwei Frauenspersonen uns flüsternd beraten, wie wir hier mit Anstand rauskommen sollen. Wir müssen nämlich an einer langen Reihe von Tischen entlanggehen, an denen Leute sitzen, die alle wahnsinnig komisch aussehen. Wenn wir die nun einfach nicht angucken… wir schaffen es tatsächlich, weil wir eisern die Wand im Auge behalten und die Leute mit den Elefantenrüsseln und Glubschaugen nicht beachten.

Draußen halten wir uns aneinander fest und lachen uns tot, als wir die vier wild schwankenden Tafelberge entdecken!

Am Mittag des 23. Oktober bringen wir „die Oma“ zum Flughafen. Wieder sind acht Wochen um, und niemand weiß, wo sie geblieben sind. Meine Mutter versichert voller Überzeugung, dass sie froh ist, meinen Vater kennengelernt zu haben, sonst hätte sie ja nie so einen schönen Urlaub erleben können.

Am Flughafen passen wir mit dem dicken MAN nicht auf den offiziellen Parkplatz. Also stellen wir uns auf irgendeinen (nicht für uns) reservierten Platz und unterhalten uns noch ein bisschen. Peter sieht draußen zwei Sicherheitsbeamte mit Sprechfunkgeräten in der Hand herumschleichen und öffnet die Tür. „Wo kommen sie denn mit dem Geschütz her?“ wollen die Beamten wissen, „der sieht ja toll aus! Dürfen wir mal reingucken?“ Kein Wort davon, dass wir hier eigentlich nicht stehen dürfen. Ganz im Gegenteil, einer von ihnen rennt voller Freude los und kommt mit dem Flughafenmanager zurück, der sich den MAN auch nochmal ganz begeistert anguckt.

Dann bringen wir unsere Mutter zum Flugzeug. 15 Stunden später wird sie wohlbehalten in Hamburg landen.

Peter und ich verbringen noch einige Tage in Kapstadt und können uns einfach nicht losreißen. Am äußersten Ende Afrikas schäumen der Indische und der Atlantische Ozean um die Felsen des Kaps der Guten Hoffnung. Wir kommen uns vor wie am Ende der Welt, halten uns in den Armen und träumen. Die vergangene Zeit war gut; voller Abenteuer und Erlebnisse, die wir nie vergessen werden. Was bringt die Zukunft? Die Gedanken an Fahrzeugverkauf, Zollpapiere und Geldwechsel streifen uns nur kurz. Wir schütteln sie gleich wieder ab – das wird sich finden. Der stürmische Wind zerzaust uns die Haare, das Meer rauscht, Kormorane fliegen vorbei. Wir sind glücklich.

Der Airbus startet. Eine Lautsprecherdurchsage: “Willkommen an Bord der Maschine von Frankfurt nach Hamburg. Wir fliegen in einer Höhe von…” Der Kater quengelt in seinem Transportkorb vor sich hin, also nehme ich ihn heraus und setze ihn auf meinen Schoß. Die honorigen Geschäftsleute um uns herum – alle mit dem gleichen Haarschnitt, alle mit den gleichen eleganten Nadelstreifen – gucken erstaunt, welch merkwürdige Erscheinungen da zwischen ihnen sitzen. Niger ist aufgeregt, verliert Haare und fusselt den Nadelstreifen auf die Käsebrötchen. Ich gähne und bekomme fast noch rechtzeitig die Hand vor den Mund. Peter setzt ein Fläschchen Sekt an die Lippen – Herr Wulf, du hast ein Glas! Ach ja, wir sind nicht mehr im Busch und müssen uns wieder gut benehmen.

In unserem Handgepäck befindet sich ein Bündel Reiseschecks, das Geld für den MAN, der plangemäß verkauft wurde. Der Flug von Johannisburg nach Frankfurt war ruhig; der Blick nach unten beim Überfliegen der Alpen einmalig schön.

Heute ist der 29. November 1986. Wir landen in Hamburg mit der Gewissheit, 13 Monate lang in einer wunderschönen, aufregenden, völlig anderen Welt gewesen zu sein, in die wir immer wieder zurückkehren werden. Immer wieder Afrika!

Falls es interessiert: ziemlich viele Zahlen

Unser Fahrzeug: Bundeswehr LKW MAN L 630 AE Pritsche mit aufgesetztem Kofferaufbau.

Motor: 6 Zylinder-Vielstoffmotor, 8,3 Liter Hubraum, 130 PS bei 2.000 Umdrehungen pro Minute.

Durchschnittsverbrauch während der 37.000 km langen Reise = 27,85 Liter / 100 km.

Spitzenverbrauch während der Auffahrt zum Mt. Kenia 125 Liter / 100 km. Nein, ich habe mich nicht vertippt.

Möglicher Kraftstoff: Diesel, Kerosin, Paraffin, Benzin, Petroleum, notfalls Motoröl SAE 10.

Fahrzeugmaße: 8,40 m lang, 2,50 m breit, 3,70 m hoch.

Leergewicht mit Koffer und Seilwinde 10 to.

Startgewicht mit vollen Tanks (1.050 L Kraftstoff, 300 L Wasser) 12,8 to.

Allradantrieb und Geländeuntersetzung zuschaltbar.

Getriebe 2 x 6 Gänge, nicht synchronisiert. Hydrolenkung.

Reifen Michelin XL 14.00 x 20.  Lagen: 18 PR, Reifendurchmesser 127 cm.

Höchstgeschwindigkeit 70 km/h.

Reisegeschwindigkeit auf guten Straßen 60 km/h.

Spitzengeschwindigkeit im ersten Geländegang bei Höchstdrehzahl 4 km/h, also genug Kraft, um Häuser einzureißen! (Haben wir aber nie gemacht).

Noch ein paar Anekdoten

Als wir zu unserem 40sten Hochzeitstag 2014 in der Kapregion unterwegs waren, haben wir natürlich wieder im Blue Peter gespeist; und zwar fantastisch. Draußen  saßen viele junge Leute und eine sehr gute Coverband spielte. Unser dunkelhäutiger Ober, in Ehren ergraut, kam mir mächtig bekannt vor. Wir haben mit ihm geredet und festgestellt, dass er uns in den 80ern dort auch schon bedient hat… nee, das gibt’s doch nicht. Das war derjenige, der mir damals Miesmuscheln servierte, einen Blick drauf warf, wie ich sie aß (eine Muschelschale als Zange benutzen und die Muscheln damit aus den anderen Schalen lösen, also sehr gesittet!). Und da gingen sie mit ihm durch, er kam an unseren Tisch gestürzt und es sprudelte aus ihm heraus: genau so isst man Muscheln! Genau so! Wenn man manchmal andere Leute sieht, wie die mit Messer und Gabel darin herumfuhrwerken, das ist ja fürchterlich, da kann man ja kaum hingucken. Er strahlt mich an; es fehlte nicht viel und er hätte mir auf die Schulter geklopft. Rückte seine Krawatte zurecht, richtete sich auf und fand seine Contenance wieder.

1981 – Damals übernachteten wir unbelästigt wochenlang auf dem Parkplatz oben auf dem Signal Hill. Wir standen ganz hinten, noch hinter dem heutigen offiziellen Parkplatz. Da war damals bloß reine Natur und es kamen hin und wieder mal nette Leute vorbei. Einmal aber nicht: Da kamen zwei weiße Südafrikaner in einem kleinen Jeep. Fuhren wie die Irrsinnigen durch die Kapflora, gröhlten betrunken und schossen mit einem Trommelrevolver in der Gegend herum. Wir zogen die Köpfe ein und blieben im Fahrzeug. Sie sind so lange durch die Büsche geheizt, bis der Jeep endlich umkippte, die Polizei kam und die beiden abführte. Das war 1981. Im Jahre 2014, als wir wieder da waren, zeigte mir Peter den Baum, auf den der Typ vor so langer Zeit geschossen hatte: Das Projektil war noch deutlich zu sehen, nur ein Stück weiter oben und von einer dicken Rindenschicht eingerahmt.

Peter und Ulla
Heute leben wir (KFZ-Meister i.R. und Heilpraktikerin) in einem Dorf in der Nähe von Mölln, fahren immer noch gern nach Afrika und sind ansonsten in einem Wohnmobil nach unserem Geschmack unterwegs.

Lesen sie die ganze Story: Immer wieder Afrika, Autorin: Ursula Wulf, ISBN: 978 383 910 4750

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