Friday, September 22, 2023
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Immer wieder Afrika – Dreizehn Monate von Hamburg nach Kapstadt – Auszug 12 –

Der Meru Nationalpark in Kenia – Peter und Ulla Wulf starten mit ihrem alten Bundeswehr-MAN, einem zum Wohnmobil ausgebauten 13 Tonnen schweren Lastwagen, im Jahre 1985 in Hamburg. Ihr Ziel ist das Kap der Guten Hoffnung. Ihr Begleiter: der Kater Niger, schnurrig, mutig und verfressen.

Ursula Wulf – Wir überblättern im Buch die Zeit in Nairobi und die fantastische Bergwelt oben am Mount Kenia und sind jetzt in Richtung Meru unterwegs.

Durch eine hügelige Landschaft mit vielen Dörfern fahren wir Richtung Meru und nehmen dann die Straße über die Nyambeni-Hügel. Neben der Straße verläuft ein tiefes, endlos erscheinendes Tal, der Ostafrikanische Grabenbruch, in dem verstreut Vulkankegel stehen; ganz hinten im Dunst erhebt sich ein Gebirgsmassiv. Was für ein herrlicher Anblick!

Den Meru-Nationalpark erreichen wir am späten Nachmittag. Gleich hinter der Parkgrenze empfängt uns eine Horde Paviane, die eilig angelaufen kommen, als wir stehenbleiben. Da wir uns auf kein Streitgespräch mit den Burschen einlassen mögen, fahren wir lieber weiter. Keine zwei Minuten später steht am Pistenrand eine Elefanten-Großfamilie. Die Tiere kommen langsam näher, lassen uns aber genügend Zeit zum Filmen und Fotografieren. Einige Riesen sind dabei und zwei noch recht Kleine. Wir sind begeistert, und es reißt nicht ab: bis wir unser Camp erreicht haben, bekommen wir Oryxantilopen, Wasserböcke, Grantgazellen, einen langbeinigen Sekretärvogel, einen Riesenreiher, Frankoline (kleine Fasanenvögel) und – in weiter Ferne – Büffel zu sehen.

Die Wolken, die um den Park herumziehen, sind mit ihren verschiedenen Formen einfach fantastisch; die Landschaft ist flach und mit Akazien und Tausenden von wunderschönen Doumpalmen bestanden. Diese Palmen gefallen uns so, weil sie sich verzweigen und mehrere Stämme bilden. Am Horizont erheben sich hohe Berge.
Der Temperatur- und Höhenunterschied, den wir heute überwunden haben, ist interessant: von 4.000 m und Null Grad am Morgen auf 600 m und 30 Grad am Abend. Während wir den Sonnenuntergang bewundern, wird uns klar, weshalb der Kater heute so artig drinnen bleibt: die Löwen fangen mächtig an zu brüllen. Gar nicht mal so weit weg, und das Bushcamp ist nicht eingezäunt. Vorteil: wir dürfen jederzeit raus; Nachteil: alle Wildtiere dürfen jederzeit rein…

Auf dem Platz sind außer uns keine anderen Touristen, was uns nur recht ist, weil wir so die Wildnis pur genießen können. Der MAN steht unter hohen Bäumen, als einzigen Luxus gibt es Wasserhähne, Mülltonnen und weiter weg ein einfaches Duschhäuschen mit Toiletten.

In der ersten Morgendämmerung ertönt draußen urplötzlich ein entsetzliches Geschrei. Wir stehen zwar kurz aufrecht in den Betten, merken dann aber schnell, ach, die kennen wir schon, und gucken lachend aus dem Fenster: drei Frankoline rasen mit ohrenbetäubendem Gezeter wie die Ungesunden durch die Büsche. Wir können gut nachvollziehen, wieso diese kleinen, eiförmigen Fasanenvögelchen in Fachkreisen als „Herzinfarktvögel“ bezeichnet werden!

Auf seinem morgendlichen Pirschgang wird Niger von den Glanzstaren erwischt. Peter und ich finden diese Vögel mit ihrem blau, lila und orange leuchtenden Gefieder wunderschön, aber gegen uns haben sie ja auch nichts. Katzen jedoch sind Erzfeinde, und so flattern sie mit 300 Mann zeternd und kreischend in den Dornbüschen herum und beobachten jeden von Nigers Schritten.

Niger lässt sich nicht dreinreden; er legt zum Zeichen seines Missfallens nur die Ohren dicht an den Kopf, macht die Beine etwas kürzer und sträubt sein Fell. Die Stare nerven so lange, bis Niger anfängt, sich Grillrezepte auszudenken, in denen Vögel eine bevorzugte Rolle spielen. Da fliegen sie lieber woanders hin und der Kater hat endlich seine Ruhe.

Peter wirft beim Zähneputzen routinemäßig einen Blick aus dem Fenster – und verschluckt fast seine Zahnbürste. In ca. 200 m Entfernung grasen fünf dunkle, behäbige Kolosse: Breitmaulnashörner! Der Tag fängt ja gut an; nur schade, dass wir sie nicht von dichtem betrachten können. Wie in allen anständigen Wildparks ist auch hier das Fahren abseits der Wege nicht gestattet, damit die Tiere nicht zu sehr gestört werden. Wir brechen auf zur Fotosafari, bleiben aber erst noch an der Piste stehen, um die Nashörner zu beobachten. Da fällt mir etwas ein: ich erzähle Peter, dass ich mal einen Film gesehen habe, in dem die Nashörner so zahm waren, dass die Leute sie streicheln konnten. Aus Höflichkeit tut er so, als ob er es glaubt.

Die Tiere sehen schon toll aus: vier große Lokomotiven und eine etwas kleinere. Zwei Ranger mit umgehängten Gewehren stehen neben ihnen; der eine winkt uns lachend zu: wir sollen zu ihm kommen. Peter, nicht faul, steigt tatsächlich aus und geht auf seinen sicheren Tod zu. Er unterhält sich eine ganze Zeit mit einem der Ranger und streichelt dann ein Nashorn. Dem Urviech ist das anscheinend völlig egal. Mein begeisterter Mann kommt zurück und bietet zehn Minuten lang seine ganze Überredungskunst auf. Dann traue auch ich mich zu den Tieren hin. Auf jeden Fall sind wir jetzt dicht genug herangekommen, um ein Foto zu machen: z. B. ein Nashorn-Ohr formatfüllend.

Die Ranger erzählen uns, dass sie die Tiere Tag und Nacht bewachen, um sie vor Wilderern zu schützen. “Los, Madam, komm mit“, sagt der eine aufmunternd, “Nashorn anfassen.” Was hilft es, irgendwann muss man ja mal sterben – gottergeben klopfe ich einem Nashorn-Weibchen die Kehrseite. Das hört nicht mal auf zu äsen, und ich frage mich im Stillen, ob ich wohl gleich aufwache? Zahm wie eine Herde Kühe bewegen sich die Zwei-Tonnen-Kolosse um uns herum; sie sind zufrieden, wenn sie mit ihren breiten Mäulern das Gras abrupfen können und ihnen niemand etwas tut. Bei Spitzmaulnashörnern sähe die Sache schon anders aus: die rennen alles um, was Ihnen nicht gefällt. Und Menschen gefallen ihnen überhaupt nicht!

Als wir endlich wieder im sicheren MAN sitzen, möchte ich einen Cognac haben und muss mich mit einem Pfefferminzbonbon begnügen.

Am nächsten Morgen, um fünf Uhr in der Frühe, weckt uns Löwengebrüll. Nach dem Frühstück kommt einer der Nashorn-Bewacher zu einem kleinen Schwatz vorbei und erzählt, dass die Löwen direkt hier im Camp einen jungen Büffel gefressen haben, nur 100 Meter von uns entfernt. Wir gratulieren uns im Geiste mal wieder, dass wir nachts nicht zum weit entfernten Toilettenhaus wandern müssen. Der Ranger entdeckt unseren wohlgenährten Kater und sagt zu Peter: “Oh, was für eine schöne Katze! Kriegt sie bald Junge?” Niger hört einfach nicht hin.

Später gehe ich ein paar Schritte herunter zum Fluss, den Blick aufmerksam erhoben, ob in den Bäumen freche Paviane sitzen. Ein lautes Platschen vor mir – und ein großes Krokodil verschwindet im Wasser. Das stimmt uns gleich richtig ein; der heutige Tag soll wieder ein Safari-Tag werden. Der Fluss von vorgestern lockt. Wir halten bei einem dicken Baobab und gehen wachsam ans Ufer. Im weichen Schlamm zwischen den flachen Steinen sind die großen Abdrücke der Flusspferd-Füße tief eingegraben. Um die Felsenzunge herum, auf der wir stehen, schießt das braune, schlammige Wasser des Flusses. Ein Stück Holz treibt nicht vorbei. Oben auf dem Holz sind zwei höckerförmige Erhebungen, darunter zwei Augen, die uns fixieren. Als es sieht, dass wir zu ihm hinzeigen, geht das Krokodil auf Tauchstation. Wir gehen dann auch.

Die Piste führt auf der anderen Seite des Flusses zurück. Schnell wird ersichtlich, dass dies ein Weg ohne Wiederkehr ist, denn durch die anhaltenden Regenfälle sind lange Strecken tief verschlammt bzw. stehen unter Wasser. Peter will den MAN wenden, aber leider ist die Erde neben dem Weg noch aufgeweichter, und das schwere Fahrzeug versinkt tief im Morast.

Wir probieren verschiedene Rettungsmethoden aus: Äste in die Schlammfurchen legen, etwas buddeln – es ist unerträglich heiß, und eine Schaufel mit zähem Morast wiegt viel mehr als eine Schaufel voll Sand. Erschwerend kommt dazu, dass wir den Morast, wenn er einmal auf der Schaufel ist, nicht wieder herunterbekommen, weil er daran haftet wie Leim.

Plötzlich greifen uns Tse-Tse-Fliegen an. Sie fliegen zielstrebig ins Gesicht und stechen sofort. Die Stiche sind äußerst schmerzhaft; wir flüchten ins Auto und beratschlagen, was wir tun sollen. Peter will den MAN erst einmal mit dem Wagenheber etwas anheben, damit wir die gesammelten Äste auch unter die Reifen legen können. Da ich ihm beim Wagenheben nicht helfen kann, soll ich im Auto bleiben und nachher wieder mit anfassen.

Peter zieht sich zum Schutz gegen die Tse-Tses Gummistiefel, eine lange Hose und eine Regenjacke mit Kapuze an und macht sich an die Arbeit. Nach zehn Minuten klopft er an die Tür. Ich öffne: er liegt im Gras, hat einen hochroten Kopf und ist geistig nicht mehr vollständig anwesend. Die Idee mit der Gummijacke war gar nicht gut; als ich ihn jetzt da herausschäle, merke ich, dass seine Körpertemperatur viel zu hoch ist; er ist kurz vor einer Ohnmacht. Ich übergieße ihn mit Eiswasser aus dem Kühlschrank und träufle ihm ein blutdruckregulierendes Mittel in den Mund. Nach fünf Minuten hat er sich so ziemlich berappelt. Noch eine kurze Verschnaufpause, dann taucht wieder die Frage auf: was tun?

Wir entschließen uns, das Windenseil um den großen Baum vor dem MAN herumzuführen und das Auto mit der Kraft der starken Seilwinde auf die Sandleitern zu ziehen, die wir vor die Reifen legen.

Wir schlingen also das Seil um den Baum und müssen kräftig buddeln, um die großen Sandleitern vor die tief versunkenen Reifen legen zu können. Keine leichte Aufgabe: erst muss der lehmige Boden mit der Axt aufgehackt werden (obenauf ist er knüppelhart), dann nehmen wir zum Graben und Schaufeln am besten die Hände, weil davon der Lehm noch halbwegs wieder heruntergeht. In der Sonne ist es fast nicht auszuhalten, aber darauf kann keine Rücksicht genommen werden.

Am Schlimmsten sind die immer wieder erfolgenden Angriffe der Tse-Tse-Fliegen. Nach ihnen zu schlagen ist zwecklos; sie sind viel zu schnell und durch ihren harten Panzer absolut schlagfest. Um sie abzuwehren, sprühen wir mit Mückenspray (ist zwar ungesund, tut aber nicht weh!) wie wild um und auf uns. Das mögen sie nicht und verziehen sich für eine Weile.

Wir sind beide völlig erschöpft, als die Sandleitern endlich vor den Rädern liegen. Peter macht einen Versuch, aber die Seilwinde kann das Gewicht des MAN nicht ziehen, der sich im Schlamm richtig festgesaugt hat. Die Sandleitern liegen auch noch zu schräg.

Wir raffen uns notgedrungen wieder auf, nehmen die schweren, lehmverkleisterten Bleche zur Seite und graben uns mit den Händen durch den Morast. Peter befestigt eine Umlenkrolle am Baum und verdoppelt dadurch die Kraft der Winde. Immer wieder greifen die Tse-Tses an. Trotz des Mückensprays bekommen wir manchen Stich ab. Eines der Biester sticht mich ins Handgelenk, viel schmerzhafter als die anderen Stiche zuvor. Ich flüchte in den Schatten, lasse mich ins Gras fallen und will anfangen zu heulen. Aber erstens wirkt das demoralisierend auf den Kampfgeist der Truppe und zweitens bin ich völlig ausgedörrt. Und nützen würde es auch nichts. Also nicht heulen. Peter arbeitet wie ein Maulwurf, ist mit seinen Kräften am Ende und sah auch schon mal besser aus.

Da wir beide nicht die Nacht hier im Busch, und dann auch noch in einem total schiefen Auto, verbringen wollen, müssen wir wühlen. Lange Erholungspausen sind nicht drin; es ist schon fast fünf Uhr und um sieben ist es stockfinster.

Endlich liegen die Sandbleche etwas flacher vor den Reifen. Peter macht noch einen Versuch – und es klappt, der MAN zieht sich auf die Bleche! Wir sind so k.o., dass wir uns noch nicht mal richtig darüber freuen, sondern einfach nur mechanisch weiterarbeiten und die tiefen Löcher, die die Reifen hinterlassen, mit Ästen und Zweigen auffüllen. Peter spult die Seilwinde wieder auf und fährt mit Schwung rückwärts. Noch einmal die Sandleitern hinten untergelegt, dann ist es endlich geschafft. Der MAN steht auf der festen Mitte des Weges.

Fünf Stunden sind vergangen, seit wir uns festgefahren haben. Ich will die Wasserflasche holen, kann aber mit zwei Beinen, die sich anfühlen wie weich gekochte Spaghetti, nicht mehr ins Auto steigen. Peter holt das Wasser. Dann sitzen wir, völlig verdreckt und verschwitzt, im Schatten des MAN und wollen nur noch trinken. So also fühlt man sich mit 98…

Vor fünf Stunden haben wir uns noch Gedanken darüber gemacht, ob wilde Tiere in der Nähe sind, denn wir stehen nahe am Flussufer und die Gegend ist von dichtem Buschwerk bestanden. Inzwischen gibt es kaum etwas, was uns noch gleichgültiger ist. Ich bin so fertig, dass selbst das Sprechen schwerfällt. “Weissu“, nuschele ich, “was ich mach, wenn jetztn Löwe kommt? Dann sachich “hallo Löwe”, und dann trinkich mein Wasser weiter. Gimmir nochma die Flasche!” (Wie gut, dass nicht wirklich einer kam).

Wir stehen erst auf, als die große Flasche leer ist, räumen dann mühsam unsere ganzen Sachen ins Auto und fahren zurück zum Camp. Auf dem Weg dorthin entdecken wir eine Herde von ungefähr fünfzig großen schwarzen Kaffernbüffeln. Ein toller Anblick, wie sie da stehen und uns neugierig angucken. Direkt neben dem Camp weidet ein Wasserbock mit seinem umfangreichen Harem.

Und dann sind wir wieder “zu Hause”. Peter wirft die ganzen schlammverkrusteten Hilfsmittel aus dem Auto und macht sich daran, die Sandleitern abzuspülen. Ich will nur noch eines: duschen! Mit Seife, Creme und einem sauberen Kleid mache ich mich auf den Weg zum Duschhäuschen. Ein Glück, dass keine anderen Touristen auf dem Platz sind, die würden bestimmt aus meiner unsicheren Gangart schließen, dass ich sturzbetrunken bin.

Die ausgiebige kalte Dusche wirkt wie ein Jungbrunnen, so dass der Rückweg zum MAN ziemlich gradlinig verläuft. Peter hat in der Zwischenzeit alles vom Lehm befreit und verstaut; nun kann er duschen, während ich im Auto aufräume.

Endlich sitzen wir, frisch gewaschen und gekämmt, unter dem Sternenhimmel und trinken, trinken, trinken. Wir feiern mit kaltem Wasser, was wirklich ein Hochgenuss ist. Uns fällt ein, dass wir seit dem Frühstück nichts mehr gegessen haben. Nach einem kleinen Imbiss strecken wir uns im Bett aus – ist das herrlich! und schlafen bis zum nächsten Morgen um zehn Uhr.

 Mehr demnächst auf Kap Express: „Am Malawi-See – eine Erinnerung an ein Abenteuer im Jahr 1981“

Peter und Ulla
Heute leben wir (KFZ-Meister i.R. und Heilpraktikerin) in einem Dorf in der Nähe von Mölln, fahren immer noch gern nach Afrika und sind ansonsten in einem Wohnmobil nach unserem Geschmack unterwegs.

Lesen sie die ganze Story: Immer wieder Afrika, Autorin: Ursula Wulf, ISBN: 978 383 910 4750

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