Äquator, Flusspferde und hoffnungsvoller Wiederaufbau: Uganda – Peter und Ulla Wulf starten mit ihrem alten Bundeswehr-MAN, einem zum Wohnmobil ausgebauten 13 Tonnen schweren Lastwagen, im Jahre 1985 in Hamburg. Ihr Ziel ist das Kap der Guten Hoffnung. Ihr Begleiter: der Kater Niger, schnurrig, mutig und verfressen.
Ursula Wulf – Wir verlassen Zaire. Die Ausreiseformalitäten sind nicht allzu lang, wir haben schon Schlimmeres erlebt. In Uganda empfängt uns eine breite, neue Asphaltstraße. Das bleibt im ganzen Land so, wie man der Michelin-Karte entnehmen kann: überall in Uganda sind Superstraßen eingezeichnet.
Der Chef des Einwanderungsbüros tauscht ganz selbstverständlich Geld zum Schwarzkurs. Als wir mehr Geld wechseln möchten, als er da hat, schließt er kurzerhand sein Büro zu und fährt mit dem Rad nach Haus, neues Geld holen. Er gibt uns für einen Dollar 2.800 Shilling; auf der Bank bekämen wir nur 1.000 Shilling. Außerdem gibt er uns den Tipp, dass wir zur Mweya-Lodge fahren sollten und dort übernachten. Erstens wäre es da sehr schön und zweitens ist es in Uganda noch nicht sicher. Übernachtungen irgendwo in der Landschaft sind nicht empfehlenswert, weil nach dem letzten Putsch vor zwei Monaten überall noch Rebellen herumstreifen. Und die fragen nicht lange, wenn sie etwas haben wollen.
Wir finden aufgrund fehlender Beschilderung nicht gleich die Straße, die zur Lodge führt, und stehen plötzlich auf einer dicken weißen Kennzeichnung quer über der Hauptstraße: hier verläuft der Äquator! Fast fünf Monate haben wir bis hierher gebraucht. Fünf herrliche, turbulente, aufregende, dann wieder ruhige und entspannende Monate. Was wohl noch alles auf uns zukommt?
Endlich halten wir vor dem Eingang des Queen Elizabeth Nationalparks, der am selben See wie der teure Virunga-Park in Zaire liegt. Eintritt: 2 Mark 80. Inklusive Fahrzeug. Ohne Führer dürfen wir zur weit entfernten Lodge fahren, die in einer gepflegten Parkanlage liegt. Camping kostet pro Nacht und Person 50 Pfennige. Von der Hotelterrasse aus haben wir einen herrlichen Blick über die große, glitzernde Wasserfläche des Sees. Auf der Wiese stehen würdige Marabus mit den Mienen von erfolglosen Leichenbestattern herum.
Ein freundlicher Ober im weißen Jackett bringt die Speisekarte: “Falls sie zu Abend essen möchten, bestellen sie bitte jetzt schon, damit alles rechtzeitig fertig ist.” “Ist denn auch alles da“, frage ich vorsichtshalber, “was auf dieser Karte steht?”
Meistens suche ich mir nämlich mit traumwandlerischer Sicherheit Dinge aus, die es nicht mehr gibt. “Oh, yes, Madam, alles da!” “Gut, dann nehme ich dieses ugandische Nationalgericht aus Ziegenfleisch mit Kochbananen, Ananas, Reis etc.” “Ziegenfleisch haben wir nicht.”
Nachher, beim Servieren, stellt sich heraus, dass sie auch alles andere nicht haben, was zu meinem Essen gehört. Ich bekomme ein kleines Stück gekochtes Rindfleisch mit Reis. Peter und die Berliner, die Filetsteak bzw. Sirloinsteak bestellt hatten, bekommen genauso ein Stück Fleisch, wie ich habe. Nur eben gebraten und für eine Schuhsohle recht komfortabel. Vor dem Essen hatten wir jeder einen Martini. Auf der Rechnung stehen nachher wie durch ein Wunder acht Martini. Der Ober weiß das auch gleich zu erklären: er hätte ja jedem einen Doppelten eingeschenkt. Er wird als Lügenbold entlarvt und bekommt nur so viel Geld, wie ihm zusteht.
Den Weg zurück zu unseren Autos, die weitab vom Hotel auf einer Wiese hoch über dem See stehen, treten wir voller Spannung an, denn ein Wildhüter hat uns erzählt, dass nachts immer die Flusspferde zum Grasen hier heraufkommen. Und tatsächlich, da stehen wohl so zwanzig Flusspferde um die Autos herum und rupfen gemächlich das Gras ab. Die massigen Leiber werden vom Vollmond beschienen, die Tiere sind riesengroß! Kein Baum, kein Strauch steht zwischen dem Rand der großen Wiese und unseren Fahrzeugen. Prima, dass uns gerade jetzt einfällt, dass Flusspferde leicht ausrasten, wenn jemand zwischen ihnen und dem Wasser durchgeht. Darüber hinaus fällt uns auch ein, dass die Jungs erheblich schneller laufen können als wir.
Ich habe Angst wie selten zuvor, als ich wenige Meter an ihnen vorbeigehen muss. Peter macht das natürlich mal wieder gar nichts aus. Typisch Mann! Die Tiere sind zum Glück friedlich, und mir fällt ein Stein vom Herzen, als wir endlich beim MAN angekommen sind. Noch lange Zeit hören wir das charakteristische, gemütliche Hippo-Grunzen – eine kleine afrikanische Nachtmusik.
Am nächsten Tag steht ein Ausflug auf dem Programm. Über zwei Stunden werden wir mit einem großen, breiten Boot auf dem See herumgefahren. Der Steuermann zeigt uns Büffel beim Baden, Reiher, Eisvögel, Pelikane, Fischadler und Dutzende von Flusspferden.
Einmal fährt er zu dicht an die Flusspferdversammlungen heran, so dass die Tiere wütend das Boot von unten rammen. Der Schlag lässt das ganze Boot wackeln, dann schießt plötzlich so ein Riesen-Urviech unter uns hervor, zum Greifen nahe, und taucht schnaubend wieder ein. Jedenfalls ist das die schönste und spannendste Bootsfahrt, die wir je gemacht haben.
Die Berliner und wir sind die einzigen Camper auf der großen Wiese. Nachmittags sitzen wir vor unseren Fahrzeugen und genießen das Leben. Vom See her kommt das Knarren und Grunzen der Hippos; Fischadler rufen melodisch und bekommen Antwort von weit her, und im Baum neben uns versuchen viele gelbe Webervögel, bei ihren Radios Kurze Welle einzustellen. Jedenfalls hört es sich so an.
Wo wir gerade bei der Kurzen Welle sind: auch wir haben abends oft unseren kleinen Weltempfänger eingeschaltet. Es meldet sich dann aus Ruanda immer die „Station Relais Kigali“ und wir hören Nachrichten aus aller Welt.
Die Bergkette am Horizont ist jetzt, am Abend, klar aus dem Dunst herausgekommen. Dicke weiße und graue Wolken schweben darüber und werden von der Sonne noch teilweise angestrahlt.
Niger ist schon seit Stunden weg. Ein Wildhüter gesellt sich zu uns, da kommt unser Kater zurück, im Maul eine Maus von gigantischen Ausmaßen. “He is destroying wildlife“, meint der Wildhüter grinsend, (er vernichtet die Wildtiere). Und Niger ist so begeistert, dass er sich zum Nachtisch noch eine kleine Maus fängt.
Kurz vor Sonnenaufgang glüht der Himmel über den Bergen dunkelrot, dann rotgold. Wir stehen mit unseren Teebechern in der Hand und genießen den Anblick mit endlos viel Zeit, so lange, bis die Sonne über dem Horizont hervorblitzt. Nach dem Frühstück geht die Fahrt weiter; Uganda soll durchquert werden. Das Land ist wunderschön: alles sehr grün, an den Berghängen ausgedehnte Bananenplantagen, Teefelder und weite Sumpfebenen mit wogendem Papyrus. Die Menschen sind ausgesprochen freundlich, sie winken und lachen uns zu.
Nur die Straßen – wir glauben es nicht und kommen in Versuchung, mit der Michelin-Karte ein prima Lagerfeuer zu veranstalten. Wir können ja verstehen, dass einem vom Krieg gezeichneten Land keine Mittel für den Straßenbau mehr zur Verfügung stehen, aber so schlecht haben wir es uns nicht vorgestellt. Auf 100 m recht guten Asphalt folgen 100 m riesige, tiefe Löcher mit harten Kanten in unzähligen Mengen hinter- und nebeneinander. Selbst Schrittgeschwindigkeit ist oft noch zu schnell.
Bis zur Stadt Masaka ist die Straße extrem schlecht. Die Fahrweise der Ugander kann man selbst mit größtem Wohlwollen nur als hirnrissig bezeichnen; wir entgehen einigen Unfällen wirklich um Haaresbreite. Sie weichen lieber einem Schlagloch aus und riskieren dafür einen Frontalzusammenstoß mit dem MAN. Mehre Lastwagenfahrer schlafen anscheinend, denn sie kommen uns auf unserer Seite entgegen. Wir nähern uns – nichts passiert. Peter lässt die Hupen ertönen, wir sehen hinter der Scheibe des LKW das Weiße in zwei kugelrunden Augen, dann reißt der Fahrer das Steuer herum, und im allerletzten Moment zischen wir mit einem Sicherheitsabstand von 1 – 2 cm aneinander vorbei. Der Toyota wird von einem anderen Fahrzeug gestreift. Zum Glück gibt es nur einen kleinen Kratzer.
Ein PKW überholt uns laut scheppernd, aber viele Autos hier entsprechen nicht so ganz den deutschen TÜV-Normen, um das mal sehr vorsichtig auszudrücken. Wir denken uns so lange gar nichts, bis er direkt neben bzw. knapp vor uns fährt. Da sehen wir mit Entsetzen, dass er soeben seinen Benzintank verlor, den er jetzt – nur noch an den Leitungen hängend – funkensprühend hinter sich her schleift. Peter fährt einen großen Bogen, als das hochexplosive Gefährt am Straßenrand glücklich zum Stehen kommt.
In Masaka liegen noch einige Gebäude in Schutt und Asche, aber wir erkennen – wie übrigens im ganzen Land – dass die Leute sich bemühen, alles wieder in Ordnung zu bringen. Alle arbeiten hart, und wenn einer kein Auto hat, transportiert er die Sachen eben auf dem Fahrrad – z. B. fünf riesige Bananenstauden. Oder, in eine Strohmatte gewickelt, eine lebende Sau. Das Tier wird von Zeit zu Zeit mit Wasser begossen, damit es die Fahrt übersteht.
Die Menschen sind meistens besser gekleidet als die in Zaire. Viele Frauen tragen prächtige bunte Kleider mit langen Röcken und großen bauschigen Ärmeln. In den kleinen Krämerläden gibt es recht viel zu kaufen: Weißbrot, Bananen und Eier hat eigentlich jeder. Die Preise sind akzeptabel, weil wir zum Schwarzkurs umrechnen. So kostet eine Banane zwei Pfennige, ein Ei 20 Pf., ein Brot eine Mark fünfzig.
Zwischen Masaka und Kampala, der Hauptstadt Ugandas, ist die Straße von bester Qualität, so dass wir auf diesem Stück schnell vorankommen. Weil in Kampala kein Übernachtungsplatz zu bekommen ist, fragen wir uns nach Entebbe durch. Der Weg dorthin ist gesäumt von kleinen Läden, Schlachtereien und Obstständen. So einen Überfluss kennen wir gar nicht mehr.
Auf einer als „Camping“ beschilderten Wiese direkt am riesengroßen Victoria-See schlagen wir unser Nachtlager auf. Da niemand zum Kassieren hier ist, ist das Campieren kostenlos.
… wir überspringen ein paar Buchseiten und einige schöne Tage am Victoria-See, einen aufregenden Tag in Kampala und einen Besuch im total zerschossenen Flughafen von Entebbe…
…und erreichen Tororo, den Grenzort zu Kenia. Vor dem Dorf prasseln Regenfluten, vermischt mit Hagel, auf uns herunter. Wir müssen zeitweise anhalten, weil absolut nichts mehr zu sehen ist.
Kurz vor der Grenze taucht zwischen den restlichen Wolkenausläufern der Mount Elgon auf, ein 4.300 m hoher Berg in Kenia. Er wird von der Abendsonne beschienen und ist zur Hälfte in Wolken gehüllt. Eine wunderschöne Einladung, nach Kenia zu kommen – leider zu spät, die Grenze ist für heute geschlossen. Wir dürfen im Hof der Grenzpolizei übernachten. Die Polizisten, jeder mit einem großen Gewehr über der Schulter, sind sehr nett und passen auf uns und unsere Fahrzeuge auf.
Außer den Polizisten, die immer mal wieder vor unseren Fenstern auftauchen, beobachten wir eine Menge Katzen und zwei Frösche. Niger, der sich allen Spaziergängern so gern anschließen würde, ist stocksauer mit uns, denn weil Tororo nur aus Bars besteht und daher 150 Riesenlastwagen die Straßen verstopfen, kriegt unser Pelzmännchen keinen Ausgang. Wir kennen schließlich seine Vorliebe für LKW, er würde auf allen herumturnen und wenn dann einer losfährt – nein, Niger, hör auf zu räsonieren, du bleibst drinnen! Aus Protest pinkelt er im hohen Bogen an die Wand.
Die Polizei und die Immigration von Uganda öffnen ihre Büros um sieben Uhr. Wir stehen pünktlich auf der Matte und werden zügig und freundlich abgefertigt. Der Zöllner jedoch erscheint erst um halb neun. Wozu wir wohl so früh aufstehen!
Während der Wartezeit macht Peter einen Rundgang um die afrikanischen Lastwagen und stellt kopfschüttelnd fest, dass selbst bei einem überfreundlichen deutschen TÜV kein Fahrzeug diesen Platz verlassen würde. Unter dem Motto: “Sicherheit – nein danke” wurden so abenteuerliche Konstruktionen zusammengebastelt, dass es einen graust. Was natürlich darauf zurückzuführen ist, dass absolut keine Ersatzteile zu bekommen sind und der Erfindungsreichtum der Ugander, aus der Not geboren, schon wieder irgendwie genial ist.
Das Federpaket eines Lasters besteht aus Federn aller gesammelten Schrottfahrzeuge, sogar eine viel zu kleine Land Rover Blattfeder fristet mitten in der Lage ein unruhiges Dasein. Wo Schrauben und Nieten nicht ausreichen, hilft ein Bindfaden. Wenn sich nach einem Zusammenstoß das Fahrgestell verzogen hat, fährt man eben mit einem schiefen Auto weiter; Hauptsache, dass es überhaupt noch fährt. Das geht zwar nun über 1 1/2 Fahrspuren, aber die anderen Fahrer können ja aufpassen.
Einer hat unter seinem LKW einen großen Wassertank befestigt. So groß, dass der Tank an der Seite 20 cm herausragt. Doch damit nicht genug: an einen Tank gehört ein anständiger Wasserhahn. Und der guckt noch einmal 15 cm drüber weg. Ob er sich wohl für die mitgenommenen Radfahrer Kerben ins Lenkrad schnitzt?
Mehr demnächst auf Kap Express: „Der Meru Nationalpark in Kenia“
Peter und Ulla
Heute leben wir (KFZ-Meister i.R. und Heilpraktikerin) in einem Dorf in der Nähe von Mölln, fahren immer noch gern nach Afrika und sind ansonsten in einem Wohnmobil nach unserem Geschmack unterwegs.
Lesen sie die ganze Story: Immer wieder Afrika, Autorin: Ursula Wulf, ISBN: 978 383 910 4750