1969 / 1973: Wie alles anfing – Peter und Ulla Wulf starten mit ihrem alten Bundeswehr-MAN, einem zum Wohnmobil ausgebauten 13 Tonnen schweren Lastwagen, im Jahre 1985 in Hamburg. Ihr Ziel ist das Kap der Guten Hoffnung. Ihr Begleiter: der Kater Niger, schnurrig, mutig und verfressen.
Ursula Wulf – Unser Team besteht aus Peter, mir und dem Kater Niger. Peter ist mein lieber Mann; von Beruf KFZ-Meister. Seine sogenannte „Sturm- und Drangzeit“ hat er häufiger in der afrikanischen Wüste verbracht (einen VW-Bus die mauretanische Piste herunterfahren, -schieben und -buddeln) als in der Disco.
1969 / 1973: Wie alles anfing
Seine Begeisterung für den afrikanischen Kontinent begann auf vielleicht etwas ungewöhnliche Weise: mitten im heißesten Sommer des Jahres 1969 blicken er und sein Kollege Uwe gleichzeitig von den Autos hoch, die sie reparieren, sehen sich an: „Puh, heiß“ stöhnt Uwe, „ich hab keine Lust mehr!“ „Ich auch nicht“ meint Peter, „weißt du was, wir hauen ab“. Am selben Abend gehen die zwei ins Lohnbüro, reichen Urlaub ein und lassen sich das Urlaubsgeld auszahlen.
Nach 65 Stunden Fahrt in einem VW-Käfer und einer kurzen Fährüberfahrt erreichen sie mitten in der Nacht Tanger, eine Stadt wie aus Tausendundeiner Nacht im Norden Marokkos. Sie erleben das erste Mal den Zauber Afrikas, dem Peter sich nie wieder entziehen kann. Peters Anmerkung zu der langen Fahrt: „Der Käfer hatte Schalensitze. Prima für kürzere Strecken, aber da wir die 65 Stunden am Stück gefahren sind (abwechselnd fuhr einer und der andere schlief im Schalensitz), kippte man nach dem Schlafen in genau der krummen Sitzhaltung beim Türöffnen raus und musste seine Knochen erstmal durchsortieren.“
Während Peter von Jahr zu Jahr seinen Fahrradius in Afrika weiter ausdehnte (zuletzt bis in den Senegal), beendete ich bei einem Hamburger Geldinstitut meine Lehre. Meine Zukunftsvorstellungen schlossen das Reisen nicht mit ein und Afrika schon gar nicht. Als Peter mich 1973 in der Tanzstunde zum ersten gemeinsamen Tanz unseres Lebens aufforderte und in den Pausen interessant von Afrika erzählte, war ich in nördlicher Richtung bis Helgoland und im Süden bis Detmold gekommen.
Als wir ein knappes Jahr später unseren Heiratstermin bekanntgaben, stieß Peters Mutter einen erleichterten Seufzer aus: „Gottseidank, jetzt wird der Junge endlich sesshaft!“
Kurz darauf machten wir schon Reisepläne. Afrika musste es sein, was sonst? Da für eine Hochzeitsreise kein Geld vorhanden war, lebten wir ein Jahr lang sehr sparsam und holten die Reise dann nach.
Acht Wochen hatten wir Zeit für die Fahrt im Jahre 1975 von Tunesien durch die Sahara nach Kamerun. Peter und ich hatten uns einen geländegängigen Borgward-Kübelwagen gekauft, Freunde kamen in einem Hanomag mit. Unser Borgward hatte einen Motorschaden und kostete daher nur 100 Mark. Peter diagnostizierte ein verbranntes Auslassventil im Zylinderkopf. Für weitere 100 Mark wurde das Ersatzteil gekauft und Peter hat den Schaden schnell behoben.
Eigentlich bin ich nur mitgefahren, weil Peters Begeisterung mich angesteckt hatte. Das echte Interesse für Afrika, seine Bewohner und deren Sitten und Gebräuche fehlte mir völlig.
Ich erlebte eine faszinierende neue Welt: die Gastfreundschaft eines algerischen Schmiedes, der sein bisschen Couscous wie selbstverständlich mit uns teilte. Das begeisterte Winken der Menschen in den Dörfern im Niger und in Kamerun. Die Gelassenheit, mit der die Afrikaner das Leben nehmen, selbst wenn es uns sehr schwer erschien. Die grandiosen, abwechslungsreichen Landschaften. Die Öde der Steinwüste, die fantastische Schönheit der riesigen Sanddünen und die völlige Einsamkeit in der Sahara. Die schwerfeuchte Hitze und das nächtliche Tiergekreisch im Urwald.
In Kribi, Kamerun, gelang es uns mit großem Verhandlungsgeschick, sowohl den Hanomag als auch den Borgward an einen Hotelier zu verkaufen. Erlös: Jeweils für eine Person 10 Tage Hotelaufenthalt und Rückflug nach Deutschland.
Der Flug nach Hause: Ich saß das allererste Mal in einem Flugzeug. Auf dem Urwaldflugplatz von Kribi fuhr der Pilot die viermotorige Maschine mit dem kompletten Leitwerk rückwärts in die Büsche, weil die Piste zum Starten zu kurz war. Im Flugzeug waren ca. 50 Grad und sehr zu unserer großen Beruhigung hatte man uns erzählt, dass der Pilot ohne einen anständigen Whiskypegel im Blut gar nicht erst losfliegt. Während des einstündigen Fluges nach Douala plumpsten wir in jedes Luftloch.
24 Stunden später, wieder zu Hause: ich war heilfroh. Ein Glück, alles überstanden! Drei Tage später wollte ich wieder losfahren.
Wir sind in den folgenden Jahren noch oft nach Afrika gefahren; immer in zu Fernreisemobilen umgebauten, sehr geländegängigen alten Bundeswehr-Unimogs. Mit jeder Fahrt konnte ich mehr Eindrücke aufnehmen, die Lebensweise der Afrikaner besser verstehen, unsere Freiheit immer bewusster genießen.
Ende der 70er Jahre wollten wir auch einmal einen anderen Teil der Welt sehen und entschlossen uns, für 6 Monate nach Indien zu fahren. In die anfänglichen Planungen platzte eine Einladung von Freunden, die gerade von einer einjährigen Afrika-Durchquerung zurückgekommen waren. Fasziniert guckten wir den Super-8-Film an, den die beiden unterwegs gedreht hatten.
Auf der Fahrt nach Hause meinte ich „ein halbes Jahr Indien ist ja schön…“ und Peter antwortete „ein ganzes Jahr Afrika wäre aber noch viel besser…“ „Stimmt“ hab ich da gesagt, „hast Recht.“
Woraufhin uns unser Geschwätz von gestern kein bisschen mehr interessierte und wir uns nach einem passenden Fahrzeug umsahen.
Als wir wenig später unserem MAN Auge in Motorhaube gegenüberstanden (denn selbst bei unserer Länge von 1,80 m war es nicht möglich, über die hohe Motorhaube hinwegzusehen), hatten wir das Gefühl, dass nichts mehr schiefgehen kann.
Bei unserer ersten großen Afrika-Durchquerung 1980 / 81 mit diesem MAN, einem riesigen, zuverlässigen Eisenhaufen, ging auch tatsächlich nichts so daneben, dass wir hätten aufgeben müssen. Aber es war schon ganz schön abenteuerlich! Von der während dieser Fahrt erworbenen inneren Ruhe und der Gewissheit, dass letztlich alles in die richtige Richtung laufen wird, wenn man es nur richtig anpackt, profitieren Peter und ich heute noch.
Und nun zu Niger, dem Dritten im Bunde. Wir hatten nie ein Haustier, mochten aber Hunde sehr gern. Der winzige, halbverhungerte Kater, den wir 1980 im Lande Niger fanden und auch so tauften, überzeugte uns mit der Zeit davon, dass man dringend ein Haustier braucht und dass dieses selbstverständlich ein Kater sein muss. Im Laufe seines Lebens hat er mit uns über 100.000 km im LKW zurückgelegt. Wenn er merkte, dass der Aufbruch zu einer Reise unmittelbar bevorstand (und er hat es immer gemerkt), schlich er sich vorsichtshalber schon mal ins Auto und schlief dort lieber ein paar Stunden, als später womöglich vergessen zu werden.
1985, fünf Jahre nach Beginn der ersten großen Tour, kauften wir unseren zweiten MAN und wollten noch einmal den großen Kontinent Afrika durchqueren. Es hatte uns richtig gepackt: die Freiheit, über ein Jahr lang tun und lassen zu können, was wir möchten, und das Fernweh nach besonders schönen Orten, die wir noch einmal wiedersehen wollten.
Mehr demnächst auf Kap Express: Der Auszug 2 “Die Vorbereitungen”
Peter und Ulla
Heute leben wir (KFZ-Meister i.R. und Heilpraktikerin) in einem Dorf in der Nähe von Mölln, fahren immer noch gern nach Afrika und sind ansonsten in einem Wohnmobil nach unserem Geschmack unterwegs.