Demokratie in Südafrika? „Sicherlich, denn die haben ja ne Verfassung“, so hört man es an verschiedensten Orten, wenn es um Südafrika geht, um deren letzte Wahlen
Aber nicht etwa die nationalen Wahlen, nein, hier stehen zum ersten Mal in der Geschichte CNN, BBC, Fox und Al Jazeera Schlange, um über afrikanische Gemeindewahlen zu berichten.
Warum? Weil man davon ausgeht, dass die Gemeindewahlen zum ersten Mal die Frage nach der politischen Wende beantworten, denn die Frage, die immer lauter wird heißt: „Wann geht der grinsende Dieb ins Gefängnis und wann ziehen Faulheit und Verschwendung aus dem Parlament aus?“.
Am 3. August zogen über die Hälfte aller Wahlberechtigten an die Urne, um Ihre Kreuze zu machen, Kreuze für ein T-Shirt und eine Wurstsemmel des ANC, oder aber Kreuze für Veränderung. Nahezu alle Oppositionsparteien warben im Wahlkampf mit dem Ruf nach Veränderung … „Change“, das Schlagwort dieser Wahlen! Der Wahlkampf verläuft weitestgehend friedlich, wenn man vom gemeinsamen Gesang über Maschinengewehre beim ANC einmal absieht, so auch die Wahlen.
Der ANC gibt sich siegessicher, hat man doch erfolgreich die Bildung für ihre Wähler abgewehrt, die professionellen Rattenfänger von Polokwane gaben rund um die Uhr Gas, da kann nichts schiefgehen. Und doch ging etwas schief: Während der knapp 60 Stunden in denen die Stimmen der Schafe ausgezählt wurden, wurde es immer klarer: In den Wirtschaftszentren knistert es im Gebälk und zwar nicht zu knapp! Von 60% – 70% Stimmenmehrheit des ANC war nichts mehr zu spüren und je weiter die Auszählung fortschritt, desto mehr bangte der ANC überhaupt noch 50% zu erreichen. Das „Bangen“ half nicht, die Wirtschaftszentren Johannesburg, Pretoria (Tshwane), Kapstadt, Coega und Nelson Mandela Bay zeigten, dass „Veränderung“ dort anfängt, wo Geld verdient wird! In keiner dieser Metropolen erreicht der ANC die 50% Marke…..und hier beginnt der aktuellste Polit- Krimi, den Südafrika in seiner kurzen Demokratie durchleben durfte.
Während die Stimmenmehrheit der DA am Kap, in Coega und Nelson Mandela Bay bereits für neue Führung sorgten, hatten in Johannesburg und Pretoria weder die DA noch der ANC die 50%-Marke erreicht. Der Krimi beginnt mit etwas, was Südafrika noch nie gesehen oder erlebt hatte, in Deutschland aber seit Jahrzehnten Gang und Gäbe ist: Koalitionsverhandlungen!
Drittstärkste Partei bei den Wahlen und damit DER Koalitionspartner, um den gebuhlt wurde, war letztstimmlich die EFF, übersetzt die „Wirtschaftlichen Freiheitskämpfer“, unter der Führung des charismatischen Chef-Demagogen Julius Malema. Der ehemalige Anführer der ANC Jugendliga schien leichte Beute für den ANC, um mit dessen Hilfe an der Macht zu bleiben, aber man hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht, ein Wirt, der zwischenzeitlich sogar Volljurist wurde, denn Malema ist immer noch stinkesauer, dass man ihn damals als „Unfrieden-Stifter“ und „unbequem und laut“ aus dem ANC geworfen hatte.
Die Sensation schien perfekt, die DA und die EFF verschwinden hinter verschlossenen Türen und man bereitete schon mal die lokalen Schampusflaschen auf die Koalitionsvereinbarung vor. Doch auf geht die Tür und getrennt verlassen die Oppositionsführer Malema und Maimane die heiligen Verhandlungstische. Vorhang auf, Pressekonferenz, und fasst dachte man dem alten Graf von Moltke zu hören, wenn DA und EFF das Resümee aus den aus unüberbrückbaren ideologischen Gegensätzen gescheiterten Verhandlungen mit den Worten ziehen, dass von hier an zwar getrennt marschiert, aber vereint geschlagen werde.
Dem ANC stehen die Schweißperlen auf der Stirn, Stunde Null, der 19. August 2016 und in der Hölle geht das Feuer aus als DA und EFF Gemeinderäte in Pretoria Solly Msimanga zum Bürgermeister machen. So sieht es aus, wenn Minderheiten kooperieren. Doch das Polit- Drama hatte damit noch lange kein Ende, denn kaum tritt Msimanga am Montag, den 22. August sein Amt an, werden ihm zwei sehr unterschiedliche Dinge klar: Zum einen erhält er den Finanzreport der Hauptstadt, die dieser Bankrott bescheinigt, zum anderen auch die Bestätigung, dass der ANC beim Verlassen des Bürgermeisteramtes auch gleich die Bürgermeisterkette hat mitgehen lassen.
Also alles beim alten, der ANC hat die Steuergelder der Hauptstadt verschwendet und fällt weiter durch Diebstahl der lokalen Insignien auf! Doch das ist nicht alles, was man an diesem Montag vom ANC hört, denn in Johannesburg treten nun auch die Gemeinderäte an, um ebenfalls den Bürgermeister zu wählen, in der Hoffnung hier wird es anders laufen.
Doch spätestens als überraschend Julius Malema auf der Besucherterrasse des Gemeindesaales aufsteht und seinen „Räten“ lautstark klarmacht, dass er jeden einzelnen beobachtet und wer nicht den DA Bürgermeister-Kandidat Herman Mashaba unterstützt, kann dann gleich mal seinen Hut nehmen. Der ANC hört das und stellt sofort den Antrag die Wahlen, die eigentlich durch Hand-heben durchgeführt werden sollten, geheim abzuhalten. Doch wer hier denkt, dass das alles war, was der ANC noch aufzubieten hatte, hatte sich getäuscht. Draußen vor den Toren gingen ANC-Parteitreue durch die Reihen der Gemeinderäte der kleinsten Parteien und boten bis zu 500 000 Rand für deren Stimme für Ihren Kandidaten Parks Tau an. Und während ANC Gemeinderat Nonhlanhla Mthembu tragisch mit einem Schwächeanfall zusammenbricht und verstirbt, kennen die Erzgauner des ANC keine Gnade und drohen nun sogar dem Gemeinderat der Partei VF plus, Franco de Lange, dass wenn er nicht für Parks Tau stimme, dann werden seine Frau und seine Kinder ganz plötzlich verschwinden. Demokratie am Kap, so wie sie der ANC verstand, wer Stimmen mit Wurstsemmeln erkaufen kann, warum nicht Bürgermeisterstimmen durch kriminelle Drohung? Das Vorbild? Präsident Jakob Zuma, der zeigte, dass man selbst vor dem Verfassungsgericht mit kriminellen Machenschaften ungeschoren davonkommt!
21h00, die Stimmen sind abgegeben und um 21h09 wurde es Gewissheit: Herman Mashaba ist neuer DA Bürgermeister von Johannesburg und man macht sich von den Szenen keine Vorstellung. Der ANC zieht gedemütigt wie ein nasser Pudel aus dem Gemeindesaal, während IFP-Zulus, rote Barette – heute Helme – tragende EFF Anhänger und konservative Anzugträger der DA sich in den Armen liegen, feuchte Augen und das Strahlen im Gesicht, das seit Tschernobyl nur noch in ausgefallensten Glücksmomenten anzutreffen ist: „Change had to come, Change is now finally here!“ – „Veränderung musste kommen, Veränderung ist nun endlich hier!“
Ralph M Ertner, Into SA Limited