Friday, September 22, 2023
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Vater Unser am Atlantik

Paternoster ist eines der wenigen, noch authentischen Fischerdörfer an der rauen Westküste der Western Cape Provinz

Ludger Pooth – Die Portugiesen waren tapfere Seefahrer und Entdecker. Sie haben die Küsten Afrikas besegelt, den südwestlichen Zipfel des Kontinents gefunden und umrundet. Cabo das Tormentas – Kap der Stürme nannten sie es. Tückische Gewässer und gewaltige Winde, gefürchtet als Friedhof der Schiffe. 3000 Wracks aus vier Jahrhunderten, gesunken oder aufgelaufen. Die wenigen, die es ans rettende Land schafften beteten: Vater unser – Pater noster.

Sanft umspült der Atlantik die Felsen am weißen Strand der Westküste. Jungfräulich, ohne Fußabdrücke an diesem beschaulichen Morgen. Die aufgehende Wintersonne wärmt die üppige Fynbos Vegetation. Vielleicht war es ja hier, vor langer Zeit, wo einige erschöpfte Seeleute sich an Land schleppten, die einzigen Überlebenden einer Schiffskatastrophe. Portugiesen, erzkatholisch und gottesfürchtig, zum Dank der Rettung das Vater unser auf den Lippen.

So sei es gewesen, erzählen die Leute in Paternoster. So habe das Dorf den Namen erhalten. Nun, historisch gesichert ist das nicht. Aber es ist eine hübsche Geschichte.

Das idyllische Paternoster ist eines der wenigen, noch authentischen Fischerdörfer an der rauen Westküste der Western Cape Provinz – knapp zwei Autostunden vom Kapstadt entfernt. Sehr beliebt bei Kapstädtern für ein Wochenende oder Kurzurlaub von der quirligen Metropole. Internationale Touristen verirren sich dorthin selten. Wenn, dann zur Blüte der Wildblumen im Kapfrühling, August und September.

1500 Menschen leben in Paternoster. Die meisten sind Nachfahren der Khoi, eine Gruppe der Ureinwohner des Kaps, die eine eigene Geschichte von mehr als 80 000 Jahren haben. In Paternoster leben sie nach wie vor vom Fischfang mit kleinen offenen Booten. Hauptsächlich wird Snoek (Hechtmakrele) gefangen und – zwischen November und April – die begehrten Felsenlangusten (West Coast Lobster).

Wer nach Paternoster kommt nimmt sich Zeit zum Leben, genießt den Blick auf den mächtigen Atlantik, atmet bewusst die würzige Meeresbrise, lässt die urbanen Gedanken des Alltags mit den Wolken ziehen. Ruhe und Abgeschiedenheit sind das Geschenk.

Bis Anfang 2000 war Paternoster ein echter Geheimtipp. Mittlerweile haben sich wohlhabende Städter dort Grund- und Eigentum gekauft. Dennoch hat das Fischerdorf seinen Charakter erhalten. Weiß getüncht sind die Häuser, Reet gedeckt oder mit Metalldächern im Kap Vernacular Stil, eine zeitgenössische Variante der frühen Kapholländischen Häuser. Es gibt nur wenige mehrstöckige Gebäude. Bauregeln verbieten den Neubau von nicht typisch lokalen Gebäuden.

„Das Stadtkomitee achtet streng darauf, die Architektur des Dorfes beizubehalten“, sagt Marion Lubitz. Sie ist aus Norddeutschland, kam 1998 nach Südafrika und seit 2005 ist Paternoster ihr zu Hause. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Südafrikaner Deon van Schalkwyk leitet sie das Gästehaus Farr Out in Paternoster. „Unser Dorf soll nicht so werden wie Langebaan und Yzerfontein“, fügt sie hinzu. Die beiden Orte an der Westküste sind heute ein hässliches Beispiel für genehmigte Geschmackverirrungen der Architektur. Pseudotoskanische Landhäuser, mehrstöckige sterile Betonklötze, verklinkerte Flachbauten.
„So dicht aneinander gebaut, dass man auf dem Klo den Nachbarn nach einer Rolle Toilettenpapier fragen kann“, ergänzt Deon trocken.

Das Gästehaus Farr Out steht mitten in der Fynbos Vegetation am Ortsrand von Paternoster.
Das Ehepaar hat es selbst entworfen und gebaut. „Wir haben den Grundriss im Maßstab 1:1 auf den Strand gezeichnet“, berichtet Marion. Das 4-Sterne Haus hat vier Zimmer und drei Terrassen. Es ist eine Oase der Ruhe und Erholung. Im liebevoll angelegten Garten steht einostfriesischer Strandkorb. Es gibt einen Fischteich, in den Bäumen zwitschern, pfeifen und flöten die heimischen Vögel der Westküste. Spektakulär sind die Sonnenauf- und Untergänge. (Foto: Piet Steyn – Keine Kompromisse. Piet Steyn kocht lokal zeitgenössisch.)

Ungewöhnlich für die Gegend doch interessant ist ein Wigwam im Garten, das Zelt amerikanischer Indianer. Das Ehepaar bietet es als luxuriös ausgestattete Suite an. Ein zweiter kleiner Wigwam überdeckt den „Hot Tube“, einen heißen Badebottich. Entspannung für Körper und Seele – Sauna a la West Coast.

Paternoster ist nichts für Adrenalin Touristen. Die sportlichen Aktivitäten sind Kayak Touren, Hochseefischen sowie Ausritte und Wanderungen. Letztere besonders zur Blüte der Wildblumen im Cape Columbine Naturschutzgebiet. Dort steht auf dem Castle Rock der schneeweiße Leuchtturm. Er wurde 1936 erbaut und ist einer der wichtigsten Orientierungspunkte für Schiffe an der Westküste Südafrikas. Bis vor wenigen Jahren war das Prachtstück maritimer Architektur der letzte noch bemannte Leuchtturm Südafrikas.

Auf jeden Fall ist Paternoster ein Ort für Gourmets. Das Dorf hat einige ausgezeichnete Restaurants mit kreativen Küchenchefs. Piet Steyn kocht seit fünf Jahren in der Noisy Oyster. Urbane Trendküche ist nicht sein Ding. Silly organic – albern organisch, nennt er das.

Piet ist im Free State auf einer Farm aufgewachsen, das sagt alles. Er kocht nur mit frischen Zutaten aus der Gegend. „Lokal zeitgenössisch“, beschreibt er seinen Kochstil. Lämmer, Rinder und frisches Gemüse sind von Höfen im Hinterland, das Wild von benachbarten Jagdfarmen. Das Seefutter hat Piet Steyn vor der Haustüre, täglich frisch gefangen. Achtung: Die fleischigen Austern im Noisy Oyster haben Suchtpotential!

Übrigens, wegen des Fischreichtums im kalten Atlantik wurden die Gewässer ums Kap der Guten Hoffnung auch Tavern of the Sea – Taverne der See genannt. Aber die alten portugiesischen Seefahrer vermissten oft ein frisches Stück Fleisch auf dem Teller. Als Erzkatholiken waren sie besonders erfinderisch an Freitagen. Pinguine sind Vögel, die nicht fliegen aber schwimmen. Die Kapitäne erklärten sie deshalb zu Fisch! Vater Unser…

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