Die Familie Wilderer betreibt in der Nähe von Paarl zwei Restaurants und bietet erstklassige Küche und selbst produzierte Brände an.
JHM – Im Interview erzählt uns Cristian Wilder, wie sie Anfang der 1990er Jahre ausgewandert sind und wie es dann weiter ging.
Kap Express: Was hat Deinen Vater bewogen, Deutschland damals den Rücken zu kehren?
Christian Wilderer: Es hat sich so ergeben! Mein Vater Helmut hat ein Golfturnier gewonnen. Der erste Preis war eine Golfreise nach Amerika. Auf Amerika hatte er keine Lust und fragte den Veranstalter, ob er das Ticket ändern kann und ein anderes Land bereisen könne. Der Veranstalter fragte, wo er denn hin wolle. Helmut wollte, dass er was interessantes vorschlagen solle. Die ersten paar Ziele haben Helmut nicht gefallen. Dann kam der Vorschlag „Südafrika“: Sun City, Golf und eine Reise mit dem Bluetrain nach Stellenbosch mit anschliessenden Aufenthalt auf einer Weinfarm. Helmut hatte damals ein Feinschmeckerrestaurant in Baden, auch mit südafrikanischen Weinen auf der Karte. Sein Interesse an Südafrika war gross. Am ersten Abend in Sun City bestellte er nach dem Essen einen Grappa. Der Kellner brachte ihm ein Massenprodukt von mieser Qualität aus Italien. Helmut fragte nach, ob es nichts lokales gibt, Grappa oder Obstbrand. Die Antwort war nein.
In Stellenbosch wohnte mein Vater (links im Bild) auf einer Weinfarm, die von einem Schweizer betrieben wurde. Auch hier versuchte er, einen lokalen Brand zu bekommen. Vom Besitzer wurde ihm dann erklärt, dass es in SA damals keine lokalen Brände gab. Der Farmbesitzer fragte: „Warum machst du denn das nicht?” Das war im März 1994, kurz vor den ersten demokratischen Wahlen. Der Gastwirt meinte, dass wenn die Wahlen gut verlaufen, wird sicherlich ein Brennrecht zu bekommen sein. Er würde am nächsten Tag seinen Anwalt anrufen und einen Termin vereinbaren. Gleichzeitig bot er Helmut zwei seiner Gebäude auf der Farm an, die er billig mieten könne. Helmut fühlte sich damals überrumpelt,…es war ja gar nicht seine Absicht ein Brennrecht zu beantragen oder auszuwandern,…er wollte ja nur wissen warum es keinen Schnaps gab bei all den tollen Trauben und Früchten.
kurz um,…Helmut flog zurück nach Deutschland, holte mich aus der Schule, alles wurde verkauft und 6 Monate später kamen wir mit 2 Koffern in Cape Town an. Der Container mit Möbel und der Brennerei war auf dem Wasserweg unterwegs. Los ging das Abenteuer. Helmut erwarb die erste private Brennlizenz und brachte wenig später den ersten Grappa und Obstbrand auf den Markt.
Helmut macht nach wie vor die Brände und ich kümmere mich um die Vermarktung und die beiden Restaurants. Mein Sohn Alexander wurde 2012 geboren und kann somit noch nicht sagen, ob er mal in die Fusstapfen vom Papa und Opa treten möchte.
Kap Express: Stelle Euere Geschäfte vor. Was ist besonders an Eurem Service.
Christian Wilderer: Wir haben zwei Standbeine. Im Jahre 2000 sind wir von Stellenbosch nach Paarl Simondium gezogen und führen dort die Wilderer Distillery und das Ristorante Pappa Grappa. Seit 2013 sind wir auch Teil der Spice Route, ehemalig Seidelberg in Suider-Paarl, wo wir auch eine Brennerei und ein Restaurant, La Grapperia, betreiben. Wir produzieren ein grosse Palette an Obstbränden und Grappa, sowie Liköre. Seit kurzer Zeit haben wir einen fantastischen Fynbosgin im Angebot. Helmut hat über 60 der höchsten internationalen Auszeichnungen und Medaillen für seine Brände gewonnen. Er gilt als Pionier und Grandfather of Craft Distilling in Südafrika. Dafür bekommt er grossen Respekt aus der Szene, speziell im Bezug auf den Ginhype, der sich im Moment entwickelt.
Kap Express: Was waren die grössten Hürden, die zu überqueren waren, als alles begann?
Christian Wilderer: Wir dachten am Anfang, eine Marktlücke entdeckt zu haben, allerdings war Grappa und Eaux de Vie total fremd in Südafrika. Wir mussten uns einen Markt erarbeiten. Mit der Entwicklung des Landes, gab es auch immer mehr Interesse.
Kap Express: Erzähle über das Abenteuer Auswanderung.
Christian Wilderer: Wir haben sehr gute Erinnerungen. Die Menschen waren sehr offen und hilfsbereit! Für mich, als damals 14 jähriger, war es eine grosse Umstellung. Ich ging in Stellenbosch 3 Jahre in die Schule „Paul Roos“, ein sehr traditionsreiches afrikaans Gymnasium. Ich galt als Exot, habe mich aber sehr schnell integrieren können. Helmut musste öfters nach Deutschland und Österreich, um sich im Schnapsbereich und der Kunst des Destillierenz zu bilden. Er war oft viele Wochen am Stück nicht zu hause. Ich war auf mich allein gestellt und da man in der not erfinderisch wird, beschloss ich mich selbst zu bekochen. Daher kristallisierte sich später der Wunsch heraus, mich auf die Gastronomie zu konzentrieren. Zusammen mit Helmut’s lebenslanger Erfahrung in diesem Gewerbe, sind wir ein sehr erfolgreiches Team geworden und betreiben mittlerweile zwei Restaurants, die im Monat zwischen 12 und 20 000 essen servieren.
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Kap Express: Welches sind die besonderen Attraktionen in Euerer Umgebung?
Christian Wilderer: Franschhoek bietet so viel! Abgesehen vom tollen Wein und der Gastronomie finde ich das Automuseum bei l’Ormarins ganz toll. Ansonsten natürlich die gesamte Spice Route Farm. Sie ist einen Tagesausflug wert.
Kap Express: Was gefällt Dir besonders am Leben in Südafrika?
Christian Wilderer: Die Landschaft, die Weite, die Natur, der Wein, das Essen, die Menschen. Natürlich gibt es negative Seiten, aber die gibt es überall. Jeder muss für sich entscheiden, wie er positive und negative Eigenschaften aufwiegt. Wir werden immer Deutsch sein und bleiben und wir reisen auch immer wieder gerne nach Europa zu Besuch, aber Südafrika ist unsere Heimat geworden.
Kap Express: Was können Besucher von der der Regenbogennation lernen?
Christian Wilderer: Das es für Lebensqualität nicht immer sehr viel Geld bedarf! Eine Picknikdecke, eine Flasche Wein, ein bisschen Käse, Brot und einen Wlderer Grappa mit einer schönen
Aussicht,…was braucht man mehr?!
Kap Express: Welcher Begriff kommt Dir sofort in den Kopf, wenn Du an Eure alte Heimat in Deutschland denkst?
Christian Wilderer: Familie. Ich bedauere, unsere Familie nicht näher bei uns zu haben.
Kap Express: Was fehlt Euch aus der alten Heimat?
Christian Wilderer: Natürlich Freunde und Familie, aber auch die verschiedenen Kulturen. Der Badener, der Bayer, der Pfälzer, usw. Schaufensterbummeln, Weihnachtsmarkt, weisse Weihnachten, Skifahren, Bus und Bahn, Laufen und mit dem Fahrrad in die Stadt fahren.
Kap Express bedankt sich für das Interview!
Hier geht es zur Website der Wilderer.