Es ist die kühnste Art der Englischen Jagd. Die Hatz auf den Fuchs mit Hundemeute und zu Pferd.
Von Ludger Pooth – Querfeldein über Stock und Stein. In Südafrika ist derzeit Jagdsaison. Kap Express verfolgte die Jagd des Rand Hunt Club von Johannesburg.
Aufregend – doch völlig unblutig!
Sie können es kaum erwarten. Aufgeregt hecheln die Hunde über die Koppel, die Riecher am Boden, die Sterte erhoben – sie haben Jagdfieber. Die Reiter versammeln sich vor dem Reitstall.
Rot und schwarz sind die Jagdröcke der Männer und Frauen, die Stiefel blank poliert. Die Pferde sind perfekt gestriegelt, die Mähnen geflochten. Strahlend blau glänzt der Morgenimmel über der Reiterschar. Ein prächtiger Tag. Der Rand Hunt Club von Johannesburg hat zur Hatz auf den Fuchs gerufen.
Es ist ein grandioses Spektakel, allerdings ohne Fuchs. „Denn in Südafrika leben keine Füchse“, schmunzelt Bill Marshall, Vorsitzender des Rant Hunt Clubs. Seit der Gründung des Vereins im Jahr 1914 wurde nie auf die Hetzjagd gegangen. „Wir gehen stattdessen auf die Schleppjagd.“ Jene, im Verlauf dieser Geschichte genauer erläuterte, Form praktizieren heute auch europäische Jagdgesellschaften. Denn die Hetzjagd ist dort mittlerweile verboten: In Deutschland bereits seit 1934, in England erst seit 2004, zur großen Empörung des Adels und der Jagdvereine.
Doch im Wesentlichen ist alles so geblieben wie bei der Hatz auf den Fuchs. Vorweg die Hundemeute, dahinter die Reiter. Es gibt nur keine Beute. Die Fährte wird künstlich mit Duftstoffen für die Meute gelegt. „Wir benutzen den Urin des Schakals“, erklärt Marshall. „Diese Jagd ist heute eine der vielen Arten des Pferdesports.“
Das Jagdrevier ist die Inanda Country Base in Kyalami, nördlich von Johannesburg. 500 Hektar feines Land. „Wir brauchen viel Platz“, sagt Marshall. „Aber der wird durch die zunehmende Urbanisierung immer rarer.“
Der Clubvorsitzende ist der Moderator. Er erläutert den Zuschauern den Ablauf der Jagd, die nach alter Tradition ein gesellschaftliches Ereignis ist. Im 19 Jahrhundert, als noch Wild in den Wäldern und auf den Feldern Europas gehetzt wurde, brauchten Zuschauer eine gute Intuition, um die beste Aussicht zu finden.
Denn eine Hetzjagd in freier Natur war kein Golfturnier. Zunächst musste das Wild aufgespürt werden. Wenn es dann vor der Meute flüchtete, war die Frage „Wohin?“. Fahrräder brachten später mehr Mobilität. Heute führt Bill Marshall eine Kolonne von Allradfahrtzeugen zu den Aussichtspunkten entlang der künstlich gelegten Fährte. Die Zuschauer sind gut gelaunt und bestens ausgerüstet: Gefüllte Picknickkörbe, gekühlter Wein und Champagner.
Das Horn ist geblasen und die Jagd beginnt. Jetzt sind auch die Zuschauer aufgeregt. Die Hunde haben die Fährte aufgenommen. Das ist ihr großer Tag. Dafür leben sie. Es sind Foxhounds, reine Jagdhunde. „Sie sind Rudeltiere und speziell für die Jagd gezüchtet“, erläutert Bill Marshall. „Foxhounds können nicht domestiziert werden. Sie sind als Haustiere ungeeignet.

Die Meute fegt einen Hügel hinunter, dahinter preschen die Reiter. Das gierige Bellen der Hunde und das Schnauben der Pferde sind die Musik zur Jagd. Das Donnern der Hufe gibt das Adrenalin frei – Reiter und Tiere lieben es. Während der Jagd geht es in halsbrecherischer Geschwindigkeit über Felder und Hügel, durch Täler und Wasser, über Stock und Stein. „Die gewagten Sprünge über die Hindernisse sind eine Bewährungsprobe für die Pferde und versetzten jeden Reiter immer wieder in Schrecken“, kommentiert Marschall.
Die Schleppjagd erfordert Mut. Sie ist eine sportliche Herausforderung für Reiter, Pferd und Hund. Stürze und Verletzungen kommen vor. Keiner wird verschont. Die Schleppjagd ist nichts für Sonntagsreiter und Ausrittpferde. „Jeder sollte sein reiterliches Können und das seines Pferdes selbstkritisch einschätzen“, empfiehlt Vorsitzender Marshall. Der Ablauf sei nie vorhersehbar – man wisse nie genau, wie sich die Pferde verhalten oder wie der Nachbar reitet.
Bei der Schleppjagd gibt es keine Sieger, aber natürlich gibt es Regeln. Vorweg, gleich hinter der Huntemeute, reitet die Equipage. Sie besteht aus dem Master, genauer gesagt, dem Master of Hounds, sowie dem Huntsman und den Pikören. Der Huntsman, der das Signalhorn für die Hunde führt, teilt die Piköre ein. Diese haben dafür zu sorgen, dass die Meute zusammenbleibt und nicht etwa von einem quer laufenden Hasen abgelenkt wird.
Danach folgen die weniger erfahrenen Reiter und jene, die es etwas ruhiger angehen lassen. Die Spitze des Feldes führen stets drei erfahrene Reiter an. Der erste Reiter bestimmt das Tempo, die beiden anderen flankieren das Jagdfeld in seiner ganzen Breite. Außerdem werden die Felder von einem sogenannten „Schließenden“ am Ende begleitet. Er achtet auf unsichere Reiter und hilft Gestürzten.
Die Position, die jeder Jagdreiter im Feld eingenommen hat, behält er bis zum Ende der Jagd bei. Der Vordermann wird also nicht überholt. Die Feldführer, die Equipage und die Meute dürfen niemals überholt werden. Eine Jagd besteht oftmals aus mehreren Schleppen, wie die einzelnen Abschnitte bezeichnet werden. Zwischen den Schleppen werden Pausen zur Erholung für Pferde, Hunde und Reiter eingelegt.
Obwohl einiges Geld für Pferde und Ausrüstung nötig ist, ist der Rand Hunt Club kein elitärer Verein, keine Klasse unter sich. Südafrika ist nicht England. Die Mitglieder sind bodenständige Menschen aus unterschiedlichen Berufen. „Sicher haben wir ein wenig Pomp und Zeremonie“, gesteht Bill Marshall. „Das ist Teil der Tradition.“
Beim ausgedehnten Frühstück zum Abschluss der Jagd werden Flaschen entkorkt, Anekdoten und Geschichten erzählt. Rasch wird deutlich, worum es dem Rand Hunt Club geht: Um Ross und Reiter, Spannung und Spaß, eben um Pferdesport – und mehr nicht.
CLUB GESCHICHTE
Der Rand Hunt Club ist aus dem Germiston Hunt Club entstanden, der 1886 gegründet worden war. 1914 wechselte der Jagdverein nach Johannesburg und wurde in den Rand Hunt Club unbenannt. 20 Jahre später formierten sich der Rand Hunt Club und der Johannesburg Polo Club zum Inanda Club in Sandton. Zu dem weitläufigen Anwesen gehören 500 Hektar Reiterland der Inanda Country Base. Zur Fußball-Weltmeisterschaft bietet der Club neuen Clubmitgliedern einen reduzierten Mitgliedsbeitrag an und verzichtet auf die Aufnahmegebühr.