Thursday, November 30, 2023
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Interview mit Dr. Ivan Meyer, Minister für Kultur und Sport im Westkap

Kap Express Korrespondentin Monika Kohut trifft den Minister für Kultur und Sport des Western Cape in München. Hier das Exklusivinterview:

Kap Express: Herr Minister, was ist der Grund für Ihren Besuch in München?

Ivan Meyer: Es gibt vier Gründe: Auf Regierungsebene wollen wir die Umsetzung unserer Übereinkommen evaluieren. Des weiteren wollen wir zukünftige Projekte identifizieren und unsere laufenden Projekte im Bereich erneuerbare Energien diskutieren. Last but not least steht die gemeinsame Vorbereitung des Besuchs unserer Premierministerin Helen Zille im September auf unserer Agenda.

Kap Express: Auf der Pressekonferenz zu der Veranstaltung “Bavaria meets Western Cape Expo 2010, sagten Sie seinerzeit, bei der Partnerschaft mit Bayern ginge es nicht darum, Berge von Papier zu produzieren, sondern darum, Resultate zu erzielen. Nach nunmehr genau 12 Monaten, welche Resultate können Sie vorlegen?

Ivan Meyer: Im Mai 2012 wird es eine “Käse-Festwoche” mit bayerischen Produzenten geben. Darüber hinaus haben wir verschiedene Käsehersteller eingeladen, an unserer Landwirtschaftsausstellung teilzunehmen, die im September stattfindet.

Ein Film kann ein Spiegel sein

Vor kurzem hat ein Amateurfilmer aus Bayern Khayelitsha besucht. Er hat hier einen Film produziert, der eine für dieses Township typische Hütte aus vier verschiedenen Perspektiven zeigt, und vier Kinder, die die Wahrnehmungen aus ihrem jeweiligen Blickwinkel darstellen und diskutieren. Dieser Film wird als Teil einer breit angelegten Dokumentation unserer Zusammenarbeit im Rahmen unserer nächsten gemeinsamen Veranstaltung gezeigt. In unseren Kinos laufen internationale Filme aus aller Welt, aber es gibt keine Filme aus Bayern. Deshalb fördern wir die Präsenz bayerischer Filme beispielsweise indem wir diese in den Townships vorführen. Im Gegenzug werden die Filmemacher aus Deutschland die hiesigen Studios und unsere Infrastruktur nutzen. Außerdem wollen wir den Township-Bewohnern die Möglichkeit bieten, zu lernen, wie Filme gemacht werden, denn wir glauben, dass das Medium Film ein Spiegel sein kann.

Kap Express: Laut “Hope Cape Town Association & Trust”, bieten rund 60 bis 80 Prozent der Großunternehmen wie BMW etc. Informationen und Therapieprogramme an, während Aids im Mittelstand nach wie vor kein Aspekt der Unternehmensführung ist. Welche Maßnahmen sind geplant, um diese Situation zu ändern?

Das Thema HIV/AIDS muss enttabuisiert werden

Ivan Meyer: Ich bezweifele, dass kleine und mittlere Unternehmen in der Lage sind, weit reichende Maßnahmen zu implementieren, denn sie verfügen weder über die notwendigen finanziellen noch personellen Ressourcen. Zwei weitere kritische Aspekte sind Vertraulichkeit und potentielle Stigmatisierung.
Wie kann ein Unternehmer mit zehn oder zwanzig Mitarbeiter in seinen begrenzten Räumlichkeiten Anonymität und Diskretion gewährleisten?
Meiner Überzeugung nach wäre eine Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern, die Tests und Beratung anbieten, ein Lösungsweg. Es bleibt zu diskutieren und zu prüfen, inwiefern wir diese Kooperationen unterstützen können.
Hinsichtlich unseres gemeinsamen Kampfes gegen HIV/AIDS, möchte ich zwei besonders bedeutsame Projekte nennen: Zum einen haben wir eine PR-Kampagne gestartet, deren Ziel die Enttabuisierung dieses Themas ist. Unsere Kampagne beinhaltet sowohl visuelle als auch auditive Maßnahmen. So haben wir unter anderem eine DVD produziert, die in Taxis und auch an den Taxiständen läuft. Da das Radio bei uns das wichtigste Medium ist, haben wir mit den verschiedenen Sendern eine Kooperation initiiert. Die Moderatoren sprechen nun regelmäßig “zu” und “mit” ihren Hörern über das Thema HIV/AIDS.

HIV/AIDS Kampagnen brauchen glaubwürdige Role Models

Darüber hinaus haben wir zusammen mit Clicks, dem führenden Einzelhandelsvertrieb von Drogerie- und pharmazeutischen Produkten in Südafrika, einen Service namens VTC Voluntary Testing and Counselling in allen Geschäften eingerichtet, die das Unternehmen in Einkaufspassagen unterhält. Eine begleitende Maßnahme ist hier eine Anzeigenkampagne mit verschiedenen Großunternehmen. Zum Auftakt des Projektes haben Helen Zille und ich uns in Belleville “öffentlich” testen lassen. Als die Leute uns beim VTC im Clicks sahen, bildeten sich sofort lange Schlangen vor dem Geschäft. Das hat uns gezeigt, dass wir “Role Models” brauchen. Deshalb wollen wir nun landesweit Politiker dazu auffordern, sich auch diesem Test zu unterziehen. Natürlich macht eine solche Aktion nur Sinn, wenn diese Politiker für die Menschen glaub- und vertrauenswürdig sind. Jacob Zuma wäre sicher kein passendes Vorbild, denn jeder weiß von seinen zahlreichen Affären und seinen vier Ehefrauen.
An dieser Stelle möchte ich, nicht ganz ohne Stolz, kurz anmerken, dass das Westkap vom “Global Fund gegen AIDS, Tuberkulose und Malaria” für das beste Roll-out auf regionaler Ebene ausgezeichnet wurde. Wir sind damit überhaupt die erste Provinz, die jemals von dieser Institution Geld erhalten hat.

Fukushima – kein Thema in den Kirchen

Kap Express: Was haben Sie bis heute im Feld der “Grünen Technologie” erreicht?

Ivan Meyer: Nach der Weltmeisterschaft im vergangenen haben wir die “Initiative Green Cape” gegründet und mit Geldmitteln ausgestattet. Außerdem haben wir ein Weißpapier entwickelt und unsere Zusammenarbeit mit der Universität von Stellenbosch intensiviert. Die Wissenschaftler sind derzeit dabei, auf breiter Ebene die Effektivität und Effizienz der Solartechnik zu untersuchen und zu belegen, die wir in verschiedenen Bereichen installiert haben.
Zum einen sollen insbesondere die Kostenersparnisse für Privathaushalte beziffert werden, und zum anderen wollen wir auf Basis der Untersuchungsergebnisse attraktive Geschäftsmodelle entwickeln, die aufgrund nachhaltiger Renditen Investoren anlocken.

Kap Express: Haben die Ereignisse von Fukushima die Grüne Politik in Ihrem Land beeinflusst?

Ivan Meyer: Auf politischer Ebene ist Fukushima definitiv ein No.1 Thema, jedoch nicht in der breiten Öffentlichkeit. Ein Grund für dieses Phänomen ist sicher, dass das Thema in den Kirchen, die bei uns sehr wichtige Kommunikationsplattformen sind, nicht behandelt wurde.
Ein weiterer Grund ist, dass die Bewohner unserer regionalen Townships kein Bewusstsein haben, wenn es um Nutzung und Kosten von Energien geht, da sie mehrheitlich die vorhandenen Leitungen illegal anzapfen. Was Südafrika insgesamt betrifft, ist anzumerken, dass eine große Anzahl von Freiwilligen nach Japan gegangen ist, um der dortigen Bevölkerung zu helfen.

Ethno-Zentrierung kannibalisiert jedes Wir-Gefühl

Kap Express: Die Weltmeisterschaft bewirkte seinerzeit in Ihrem Land ein Wir-Gefühl, zu dem Helen Zille anmerkte, man könne es überall spüren. Hat dieses Wir-Gefühl dazu beigetragen, dass Südafrika nun seiner Vision, nämlich eine Regenbogen-Nation zu werden, ein Stück näher gekommen ist? Und was sind Ihre Aktivitäten in Bezug auf die dafür notwendige Integration?

Ivan Meyer: Ich befürchte, dass uns dieses Wir-Gefühl nach der Weltmeisterschaft wieder abhanden gekommen ist, aufgrund einer falschen Politik. Aussagen wie: „Wir werden allen Weißen ihr Land wegnehmen“ tragen nicht zur Stärkung eines Wir-Gefühls bei.
Wenn wir die Menschen nicht ausgrenzen, sondern einbeziehen wollen, dann müssen wir die Verschiedenheit unserer Kulturen respektieren und zusammen zelebrieren. Eine Etno-Zentrierung, wie der ANC sie praktiziert, kannibalisiert jedwedes Wir-Gefühl.
Auch brauchen wir mehr attraktive Vielzweck-Anlagen wie etwa den “Seapoint Urban Park”. Dank der Freizeit- und Sportmöglichkeiten findet in diesem öffentlichen Raum tatsächlich eine interkulturelle und soziale Integration der Bevölkerung statt.
Des Weiteren braucht das Thema Integration mehr Medienpräsenz. Ein gutes Beispiel ist die Fernseh-Show “Regenbogen Champions”, in der ganz normale Menschen vorgestellt werden, die jeden Tag Gutes tun; Polizisten oder Krankenschwestern.

Kunst kann zu Integration beitragen

Kap Express: Marlene Le Roux, die Direktorin für Publikumserziehung und Entwicklung am Artscape Theater ist der Überzeugung, dass Kunst eine Brücke schlagen kann zwischen weißen und schwarzen Kindern. Gibt es Projekte mit Schnittstellen zu den Aktivitäten von Frau Le Roux?

Ivan Meyer: Marlene “bringt” das Theater in die Townships mit dem Ziel, die Integration und das Selbstwertgefühl der dort lebenden Kinder zu stärken. Dieses Konzept der Persönlichkeitsentwicklung unterstützen wir mit einem Ballett-Projekt. Darüber hinaus läuft ein weiteres Projekt im Bereich Kunst und Kultur in Caledon. Die Idee ist, Jugendliche aus der Stadt und vom Land zu motivieren und anzuleiten, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen.

Sport kann einen Paradigmenwechsel bewirken

Kap Express: Vor dem Hintergrund der derzeit statt findenden Frauen-Fußball-WM eine Frage, die keinen direkten Bezug zu der Partnerschaft zwischen dem Westkap und Bayern hat. Glauben Sie, dass Fußball oder Sport im Allgemeinen einen positiven Einfluss auf die soziale Situation der Frauen in Ihrem Land hat?

Ivan Meyer: Fußball ist bei uns schon immer “der” Nationalsport gewesen. Vor diesem Hintergrund sind die Spielerinnen unserer Nationalmannschaft sicher “Role Models”, die von beiden Geschlechtern sehr bewundert und respektiert werden. Dennoch, man kann ihre Popularität nicht vergleichen mit der Ihres Nationalteams. Es ist kaum vorstellbar, dass unser Team ein Stadion mit 70 oder 80 tausend Zuschauern füllen könnte.
Was den Einfluss des Sports insgesamt betrifft, so bin ich davon überzeugt, dass er zu einem Paradigmenwechsel beitragen kann; auch in unserer Gesellschaft. Ein Beispiel: Erst vor kurzem wurde ein männlicher Sportkommentator von seinem Radiosender entlassen. Seinen Job bekam eine Frau. Mit ihrer Rugby-Kompetenz überzeugte sie auch alle männlichen Zuhörer.

Die Partnerschaft zwischen dem Westkap und Bayern zahlt sich vielfach aus

Kap Express: Gibt es noch einen offenen Punkt, den Sie abschließend gerne erwähnen möchten?

Ivan Meyer: Ja. Für erfolgreiche Amtsführung und korruptionsfreie Verwaltung wird unsere Premierministerin Helen Zille demnächst den Abraham-Geiger-Preis erhalten. Damit zahlt sich einmal mehr, auch indirekt, unsere langjährige Partnerschaft mit Bayern aus.

Monika Kohut: Herr Minister, herzlichen Dank für dieses Gespräch.

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