Begleitet vom ausgeprägten “Tok, Tok, Tok” Ruf des Glanzhaubenlouries wandern wir auf einem schmalen, dichtbewachsenen Pfad durch den Akazienwald.
Von Kristin Palitza – Mdu, unser Reiseführer, gibt uns ein Signal, anzuhalten. Wir warten mit angehaltenem Atem bis ein paar Sekunden später ein bunter Vogel über unseren Köpfen von Ast zu Ast hüpft.
Der Glanzhaubenlourie, Igwalagwala auf isiZulu, spielt kulturell eine bedeutsame Rolle. Er wurde traditionell von Zulukriegern gejagt, die sich mit seinen leuchtend roten Federn während Attacken herausputzten. Sie brachten die Federn auch als Geschenk zu ihrem Stammeskönig, dem Einzigen der sie als Kopfschmuck tragen durfte.
“Niemand anders darf sich mit diese Federn schmücken oder diesen besonderen Vogel grundlos töten”, erklärt Mdu. Einer Legende zufolge ist sich der Igwalagwala seiner Bedeutsamkeit genau bewusst: “Wenn er sich bedroht fühlt, stürzt er sich in den Schlamm, um seine schönen Federn zu beschmutzen und wertlos zu machen”.
Während wir den 1.2 Kilometer langen Pfad weiter bergauf wandern gibt uns Mdu viel interessante Details über das Vogelleben und die Pflanzenwelt um uns herum. Es gibt 365 Vogelarten in Amatikulu, erklärt er stolz. Eine für jeden Tag im Jahr.
Das Amatikulu Naturschutzgebiet befindet sich im nördlichen Teil KwaZulu-Natals, nur eine Autostunde von Durban entfernt. Das Reservat, das sich über 2,100 Hektar zieht, ist dicht von einer Mischung von Küstensumpfwäldern, Dünenwäldern und Grasland bewachsen. Standortfremde Pflanzen, wie beispielsweise Lantana, eine der fünf aggressivsten invasiven Pflanzenarten in Südafrika, werden systematisch ausgerottet damit das Naturschutzgebiet hundertprozentig ökologisch ist.
Mdu sagt uns nicht nur wie die Büsche und Bäume an denen wir vorbeiwandern heißen, er erklärt uns auch wofür sie traditionell benutzt werden, denn viele Pflanzen haben heilende Funktionen und andere nützliche Verwendungszwecke. Die Rinde des wilden Pflaumenbaums wird zum Beispiel zur Reinigung und Entgiftung des Körpers eingenommen, während aus dem Holz der Silbereiche Schafte für Speere und andere Behälter hergestellt werden.
Die Blätter der Wildpalme können als Besen benutzt werden und aus dem Saft der Lala Palme stellen die Einheimischen Wein her, Injemane genannt. “Die Flüssigkeit muss für zwei Tage gelagert werden bevor sie getrunken werden kann”, sagt Mdu. Leider ist gerade nicht die richtige Saison, um der Palme den Saft zu entziehen und so werden wir uns heute Abend mit “normalem” Wein aus dem Supermarkt zufrieden geben müssen.
Als wir weiterwandern, warnt uns Mdu aufzupassen wo wir hintreten. Hier im Wald gibt es viele verschiedene Schlangenarten – Pythons, Kobras, Grüne Mambas und Nattern ‚Äö√Ñ√¨ und deren Bisse können tödlich sein. Oh je. Und tatsächlich stoßen wir ein paar Minuten später auf eine kleine Kobra, die sich mitten auf dem Pfad sonnt und uns wohl nicht kommen gehört hat. Erschreckt schlittert sie ins Unterholz.
Doch Mdu versichert uns, das es keinen Grund zur Angst gibt. Die Schlangen hier im Naturschutzgebiet sind nicht aggressiv, erläutert er, da sie mit Respekt behandelt werden. Und falls doch mal jemand gebissen werden sollte, hat er ein natürliches Heilmittel parat: Das Blatt des Sichelbusches mindert den Schmerz, wenn man es kaut. Und wenn man es auf die Wunde auflegt, saugt es angeblich das Gift aus dem Körper. Obwohl ich generell in die Kraft von Naturheilmitteln glaube, bitte ich Mdu mir stattdessen ein Gegengift zu spritzen falls es dazu kommt.
Letztendlich kommen wir an der Spitze eines dichtbewachsenen Hügels an, unserem Picknickplatz. Der Aussichtspunkt ist die Strapaze wert, sogar in der unversöhnlichen Mittagshitze. Von einem hölzernen Aussichtsturm, der über die Kronen der Akazien hinausragt, können wir sehen, wo der Amatikulu den Nzoni Fluss trifft und etwas weiter entfernt spiegelt sich der Indische Ozean in der Sonne. Zwischen September und Dezember kann man von hier aus sogar Wale beobachten. Dann geht es auf den Rückweg, glücklicherweise bergab.
Nach der anstrengenden Exkursion wollen wir uns erst einmal abkühlen. Unser Camp liegt direkt am Amatikulu und obwohl der ein schönes sandiges Ufer hat ist schwimmen hier nicht erlaubt denn im Schilf lebt das ein oder andere Krokodil. Allerdings stehen Besuchern eine Reihe von Kanus zur Verfügung und so paddeln wir circa 200 Meter flussaufwärts wo sich Amatikulu, Nzoni und Ozean treffen. In der Mitte liegt ein abgeschiedenes, unberührtes weißes Stück Strand.
Da Amatikulu eine ‚àö√±kotourismusdestination ist, dürfen nur Kanus und Boote ohne Motor auf dem Fluss fahren. Wassersportarten wie Segeln, Jetski oder Wasserski sind nicht erlaubt. Aber trotzdem gibt es viel zu tun. Wer nicht am Strand liegen mag, kann den Tag mit Angeln verbringen. Der Fluss ist voll von Lachs, Seebrassen und vielen anderen Fischarten, die sich gut abends grillen lassen. Mit etwas Glück kann man sogar Otter und Mungos am Flussufer entdecken.
Ein erfrischendes Bad im Meer hat uns einen neuen Energieschub gegeben und so machen wir uns am Spätnachmittag auf, mit unserem Geländewagen den sieben Kilometer langen 4×4 Trail durch die Matshangulo Ebene zu erkunden.
Das Amatikulu Naturschutzgebiet beherbergt 80 Zebras, 8 Giraffen und außerdem Kudu, Riedbock, Wasserbock, Impala und Duiker. Als wir langsam mit dem Geländewagen über die Steppe fahren, halten wir Ausschau nach einem der seltenen zu sehenden Warzenschweinen, die sich gerne in den Büschen in der Nähe von Wasserlöchern verstecken. Aber wir haben leider kein Glück.
Doch dann werden wir mit einem anderen Naturerlebnis belohnt: auf unserem Rückweg zum Camp tritt eine einsame Giraffe aus dem Schutz der Bäume und stolziert langsam auf uns zu. Ihre Neugierigkeit scheint ihre Angst zu überschatten. Vorsichtig kommt sie näher und bleibt sogar ruhig stehen wenn wir langsam aus dem Auto aussteigen, um eine bessere Sicht zu bekommen.
Für gute fünf Minuten stehen wir dem graziösen Giganten auf nur 25 Meter Entfernung gegenüber. Nach einer Weile neigt sie wissbegierig ihren Kopf, wackelt mit den Ohren … doch dann scheinen wir sie zu langweilen. Sie dreht sich um und schreitet gemütlich wieder in den Wald zurück.
Amatikulu ist eines der wenigen Naturschutzgebiete in Südafrika das fast komplett von menschlichem Einfluss unberührt ist. Das Zangozolo Buschcamp in dem wir übernachten wurde daher auf hölzernen Stelzen und Plattformen gebaut, die den Amatikulu und die Flussmündung überschauen. Alle Strukturen sind aus einheimischen Materialien erstellt.
Sechs einfache Safarizelte, je mit zwei schmalen Betten, bieten Besuchern romantische und friedliche Schlafmöglichkeiten und sorgen dafür, dass das Naturreservat nicht überlaufen ist. Alle Zelte sind von schattigen Bäumen umgeben und haben eine Veranda mit spektakulärer Aussicht auf den Fluss.
Ein Restaurant gibt`s hier nicht. Kochen muss man selbst, entweder am Grillplatz oder in der Gemeinschaftsküche in der sechs Kühlschränke stehen – einer pro Zelt. Auch die Toiletten und Duschräume sind kommunal, aber sauber und gut erhalten. Naturliebhaber, die ihren Urlaub sogar noch spartanischer verbringen wollen, können ihr eigenes Zelt auf einer der fünf Campingplätze aufschlagen. Camper haben eine separate kommunale Küche und Waschräume, aber müssen ohne Elektrizität auskommen.
Bevor wir abends den Grill anschmeißen, treffen wir uns für einen Sundowner auf dem Aussichtsdeck des Camps. Erschöpft lehnen wir uns in unseren Liegestühlen zurück und nippen an einem kühlen Glas Weißwein während die glühendrote Sonne langsam im Fluss versinkt.
Ein paar Stunden später liegen wir zufrieden in unseren Zelten und schlafen zum letzten Zwitschern der Vögel und dem Rascheln einer leichten Brise ein.