Saturday, September 23, 2023
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Darling der Nation – Evita Bezuidenhout

Wenn sie die Bühne betritt ist keine Gnade zu erwarten. Die flamboyante Grande Dame schnappt zu. Niemand wird verschont. Vor allem Politiker nicht. Nachdem Auftritt schmerzen die Lachmuskeln.

Und die Zuschauer gehen nachdenklich nach Hause.

Von Ludger Pooth – Die Verwandlung findet in der Garderobe statt. Abschminken. Die Maske fällt. Das Gesicht im Spiegel blickt erschöpft drein. Pieter Dirk Uys ist nicht mehr der jüngste. Aber sein Elan ist jugendlich, die Sinne scharf, der satirische Biss kräftig. “Ich bin der Jack Russel der Demokratie”, stellt der Künstler klar.

Seit 40 Jahren ist er Evita Bezuidenhout. Vor 13 Jahren eröffnete der Satiriker das Kult-Theater “Evita se Perron” im ehemaligen Bahnhof von Darling. Eine gewollte Anlehnung an die argentinische Frauenrechtlerin Evita Peron. “se Perron” heißt aus dem Afrikaans übersetzt “ihr Bahnsteig”.

Tannie Evita ist eine Ikone, der Liebling der Nation, eine Burentante mit allen Marotten der Afrikaaner. Die berühmteste weiße Frau in Afrika. Der größte Verehrer ist Nelson Mandela. Das handsignierte Foto in der Garderobe zeigt ihn mit Evita, Wange an Wange. Pieter Dirk Uys hat für sein künstlerisches Wirken viele internationale Auszeichnungen erhalten.

Die Kunstfigur Evita Bezuidenhout ist ein Produkt der Apartheid. Satire in Frauenkleider, um die Absurdität und Scheinheiligkeit der Rassentrennung des weißen Minderheitsregimes bloßzustellen. Ein legendäres Zitat von Tannie Evita aus dunkler Zeit: “Zwei Dinge sind falsch in Südafrika. Das eine ist die Apartheid, das andere sind die Schwarzen.”

Travestie auf der Bühne um die Zensur zu umgehen. “Es klappte nicht immer”, erinnert sich Pieter Dirk Uys. “Oftmals musste die Theatertruppe nach dem letzten Vorhang sofort durch den Hinterausgang verschwinden.” Der Beweis, dass es meistens hinhaute ist eine Fotoserie im Museum des Theaters in Darling. Evita im Busch auf der Wildjagd mit Pik Botha, einer der eifrigsten Apostel der Apartheid.

Die Apartheid ist tot. Evita lebt. Die Zeiten sind anders. Das alte Feinbild ist verschwunden. Südafrika ist ein demokratisches Land. Der erste frei gewählte Präsident Nelson Mandela ist eine lebende Legende im Ruhestand. Der zweite, Thabo Mbeki wegen Versagens von den eigenen Kameraden geschasst. Nummer Drei, der Intermezzofürst Kgalema Motlanthe, ins Glied zurückgetreten nach der Wahl von Zulu Boy Jacob Zuma als vierter Präsident der Republik.

Die Satire hat ein weites Jagdrevier. “Politiker sind zu jeder Saison eine faire Beute”, sagt Pieter und verzieht keine Miene. Harmlos komisch kommt Burentante Evita Bezuidenhout daher. Weiter Fummel, toupierte Perücke, greller Lippenstift, Klunker behangen. Dann schlägt der Jäger Pieter Dirk Uys zu. Jede Pointe sitzt wie ein Blattschuß. Und im Saal kreischen und johlen die Zuschauer vor Vergnügen.

“Satire in einer Demokratie ist kein Witz”, sagt Uys und meint das bitterernst. Hinter der Maske einer lästernden Fummeltante verbirgt sich ein sensibler Mensch. Die Komödie auf der Bühne ist in Satire verpackte Sorge und Ärger über so manche Entwicklung in Südafrika der Postapartheid. Kriminalität, Korruption, Vetterwirtschaft, AIDS, Werteverfall der Gesellschaft. Hinter jedem Lacher verbirgt sich ein Stück Seelenpein. Unterschwellig bemerken das auch die Zuschauer. Sie beginnen nachzudenken. Dafür ist Satire da. Leider sind Politiker in dieser Hinsicht komplett humorbefreit.

Evitas Lästerei kann beißend sein. Pieter Dirk Uys geht bis an die Grenzen guter Satire. “Sarkasmus und Zynismus sind nicht kreativ”, sagt er. “Ich missbrauche mein Publikum nicht.” Schlüpfrig ist auch heute noch das Parkett der politischen Korrektheit. Südafrikaner sind da ultrasensibel. Vor allem wenn es um die Hautfarbe geht. “Die Schlange Rassismus liegt immer noch zu meinen Füßen.” Jetzt schmunzelt die abgeschminkte Tannie Evita verschmitzt. “Ich muss aufpassen, nicht drauf zutreten.”

Jacob Zuma erfüllte schon vor seiner Wahl zum Präsidenten freiwillig alle Klischees eines afrikanischen Politikers. Aufwendiger Lebensstil auf Kosten anderer, Polygamie, Anklage wegen Vergewaltigung der AIDS kranken Tochter eines Freundes. Nicht zugegeben. Beischlaf später zugeben. Ohne Kondom. Auch zugegeben. Freigesprochen. Anklage wegen Korruption bei einem europäischen Waffenhandel. Nicht zugegeben. Anklage unter fadenscheinigen Gründen fallengelassen. Nur logisch, dass Evita sich in diese Figur verbissen hat “Bisher hat mich Jacob Zuma stets respektvoll behandelt”, flüstert die Grande Dame. “Allerdings war ich bisher noch nie mit ihm allein in einem Zimmer.”

Nach vier Jahrzehnten auf der Bühne ist Evita Uys immer noch ein Energiebündel. Neben seinen Tourneen tritt sie/er regelmäßig auf dem Bahnsteig in Darling auf. Zwischendurch verpflichten gesellschaftliche Termine und soziales Engagement.

Wie er das alles schafft? “Deutsche Disziplin”, schnauzt Uys im Tonfall eines längst von der Weltbühne abgetreten Psychopathen mit Nasenbremse. Die beste Satire ist das Leben selbst.
Uys Mutter ist aus Berlin Charlottenburg. Eine Pianistin. Jüdisch. Geflohen vor den Schergen des Schnauzers Adolf Hitler in letzter Minute. 1939. Nach Südafrika. Heirat mit einem Buren.
Das Produkt: Pieter Dirk Uys. Was ist nun seine Identität. Jüdisch oder Afrikaaner?
Die Antwort kommt ohne Wimpernzucken: “Beides. Denn ich gehöre zu den zwei einzigen, selbsternannten auserwählten Völkern dieser Erde.”

Kommentar überflüssig. Finish en klaar. Vorhang und Applaus. Massal Tov, Pieter!

HYPERLINK “http://www.evita.co.za” www.evita.co.za

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